/ 24.09.2015
Jan Zofka
Postsowjetischer Separatismus. Die pro-russländischen Bewegungen im moldauischen Dnjestr-Tal und auf der Krim 1989-1995
Göttingen: Wallstein Verlag 2015 (Moderne Europäische Geschichte 10); 437 S.; geb., 39,90 €; ISBN 978-3-8353-1634-8Diss. Leipzig; Begutachtung: S. Troebst, M. Middell. – Die Krimkrise hat seit Anfang 2014 zur Verstärkung der Konflikte zwischen der Ukraine und Russland beigetragen, seitdem manifestieren sie sich in bewaffneten Auseinandersetzungen in den selbst ernannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine. Doch schon seit der Auflösung der Sowjetunion war der Status der Halbinsel umstritten, wenngleich ihre Zugehörigkeit zur Ukraine lange unstrittig blieb. Jan Zofka untersucht in seiner materialreichen Studie Strömungen, die in der ersten Hälfte der 1990er‑Jahre einen Anschluss der Krim an Russland anstrebten, und vergleicht diese mit entsprechenden Bewegungen in Transnistrien, jenem De‑facto‑Regime östlich des Flusses Dnjestr, das völkerrechtlich weiterhin zur Republik Moldau gehört. Nach Bemerkungen zu Methode, Begriffen und Forschungsstand werden zunächst die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in beiden Regionen zum Ende der 1980er‑Jahre dargestellt, bevor ausführlich die Entwicklungen der separatistischen Gruppen im Dnjestr‑Tal und auf der Krim geschildert werden. In einem knappen Fazit wird nach verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen gefragt. Dezidiert wendet sich Zofka dabei im Anschluss an Carsten Wieland (siehe Buch‑Nr. 14230) gegen eine Einordnung der separatistischen Bemühungen als ethnisch konnotiert, vielmehr sieht er in der Hauptsache soziale und wirtschaftliche Faktoren am Wirken. Die Interessen und die Zusammensetzung der beteiligten lokalen und regionalen Akteure unterschieden sich demnach – bei mancher Ähnlichkeit in ideologischen Annahmen und örtlichen Voraussetzungen – stark: „Dem mit Industrie und sowjetischen Machtapparat eng verzahnten Dnjepr‑Separatismus steht die auf politischen, während der Perestrojka gebildeten Netzwerken beruhende russländische Bewegung auf der Krim gegenüber.“ (11) Russophonität allein führt also nicht automatisch zu einem Eintreten für eine politische Zugehörigkeit zur Russländischen Föderation. Wie Zofka mehrfach betont, ist in Auseinandersetzungen dieser Art also immer ein Blick auf die konkreten beteiligten Akteure zu werfen, anstatt eine angenommene Zugehörigkeit zu Großgruppen vorschnell als alleiniges Erklärungsmuster zu akzeptieren – ein Befund, der auch im aktuellen Ukrainekonflikt allzu oft in Vergessenheit gerät.
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Rubrizierung: 2.61 | 2.62 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Jan Zofka: Postsowjetischer Separatismus. Göttingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38909-postsowjetischer-separatismus_47570, veröffentlicht am 24.09.2015. Buch-Nr.: 47570 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA