Julian Zelizer (Hrsg.): The Presidency of Barack Obama. A First Historical Assessment
In diesem Tagungsband versammeln Wissenschaftler*innen von renommierten Institutionen wie der Princeton University, der Boston University und der University of Cambridge ihre Einschätzungen der Erfolge und Misserfolge der Präsidentschaft Barack Obamas. Sie analysieren das Zustandekommen von Entscheidungen im politischen System der USA sowie ihre Dauerhaftigkeit im Übergang der Präsidentschaft nach der Wahl Donald Trumps. Von allen Autor*innen wird die Einschätzung geteilt, dass die Fundamentalopposition der Republikanischen Partei eine weiterreichende Reformpolitik verhindert hat.
Die Präsidentschaft Barack Obamas. Eine erste historische Bewertung
Barack Obama wird 2007 nach einem über die Maße kontroversen Wahlkampf zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. In vielbeachteten Reden skizziert der erste afroamerikanische Präsident sein ambitioniertes Programm zur Reform der US-amerikanischen Innen- wie der Außen- und Sicherheitspolitik. Im Verlauf seiner zwei Amtszeiten ist er jedoch immer häufiger mit Situationen konfrontiert, in denen das konstitutionell auf Checks and Balances ausgerichtete politische System im Rahmen parteipolitischer Taktik vollkommen blockiert scheint. Gesetzliche Schritte wie die Gesundheits- und Einwanderungsreform sowie Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen der Finanzkrise (2008) werden so häufig zu Kraftproben zwischen einem demokratischen Präsidenten und einer von der Tea-Party-Bewegung getriebenen republikanischen Partei.
In einem Tagungsband mit nachträglich redigierten Beiträgen aus dem Jahr 2016 versammeln Wissenschaftler*innen von renommierten Institutionen wie der Princeton University, der Boston University und der University of Cambridge ihre Einschätzungen der Erfolge und Misserfolge der Präsidentschaft Barack Obamas. Zusätzlich versprechen die Autor*innen eine Analyse des Zustandekommens von Entscheidungen im politischen System der USA sowie ihrer Dauerhaftigkeit und Haltbarkeit im Übergang der Präsidentschaft nach der Wahl Donald Trumps.
Julian E. Zelizer beschreibt Obama als einen gewieften Taktiker der politischen Entscheidungsfindung. Er habe durch kluge Nutzung seiner politischen Ressourcen die Gesundheitsreform (Affordable Care Act, ACA) durchgesetzt, ein Projekt, das schon seit der demokratischen Präsidentschaft von Bill Clinton auf der politischen Agenda gestanden habe. Auch habe er durch Impulse im Rahmen der Bewältigung der Finanzkrise (American Recovery and Reinvestment Act, ARRA) zum Beispiel das Thema Erneuerbare Energien in seinem Land institutionell verankert.
Obama habe es trotz seiner Leistungen jedoch nicht geschafft, die Ergebnisse seiner Politik den Wähler*innen zu kommunizieren und sie mit der demokratischen Partei zu verbinden. Dieses Manko habe unter anderem dazu beigetragen, dass die Republikanische Partei 2010 und 2014 die Mehrheit im House of Representatives und im Senat habe erlangen können. Die republikanische Mehrheit in beiden Häusern habe es für Obama in Folge fast unmöglich gemacht, Gesetze zu verabschieden, sodass er immer häufiger auf Executive Orders ausgewichen sei, die keine Zustimmung der Häuser benötigten.
Zelizer verweist in diesem Kontext richtigerweise auch auf die Zwänge innerhalb der Republikanischen Partei, die sich durch die Gründung der Tea-Party-Bewegung ergaben. Diese radikale Minderheit zwang ihre eigene Partei zu einer extremen Oppositionshaltung und brachte durch Filibustieren immer mehr demokratische und präsidentiellen Gesetzesinitiativen zum Scheitern. Sie habe dadurch eine Stimmung geschaffen, so der Herausgeber, in der eine zwischenparteiliche Kompromissfindung unmöglich geworden sei – eine Einschätzung, die von allen in diesem Band versammelten Autor*innen geteilt wird.
Die Bilanz der versammelten Beiträge über die verschiedenen Politikfelder hinweg bleibt gemischt. Was zum Beispiel die Reduzierung der Ungleichheit in den Vereinigten Staaten angeht, spricht Paul Starr von einem Erfolg. Sie stellte eines der herausgehobenen Ziele von Obama seit dem Beginn seiner Präsidentschaft dar. Er habe die Ungleichheit im Rahmen des (vorhandenen) Troubled Asset Relief Program (TARP), einer Steuerreform im Rahmen des American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) und durch Umverteilungsmaßnahmen durch den Affordable Care Act angegangen. Mit einer Gesamtbetrachtung des verfügbaren Einkommens inklusive von Lohnersatzleistungen (zum Beispiel food stamps) belegt Starr, dass Obama so die seit Jahrzehnten weitgehendsten Verbesserungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen erzielt hat (60).
Lobby vs. Klima
Die Klimapolitik, die Meg Jacobs einer vertieften Betrachtung unterzieht, war ein weiteres Kernthema Obamas schon zu Beginn seiner ersten Präsidentschaft. Die Environmental Protection Agency (EPA) erhielt unter ihm durch den Clean Air Act (CAA) weitreichende Entscheidungsbefugnisse, die der Oberste Gerichtshof bestätigte. Zusätzlich bestand 2009 im Repräsentantenhaus mit einer demokratischen Mehrheit noch die Chance, ein Gesetz zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen in Kraft zu setzen. Innenpolitisch stand Obama einer starken Lobby aus Öl- und Gasfirmen gegenüber. Gerade Letztere waren durch die neue Entwicklung von Technologien zur Verwertung von Ölschiefergasvorkommen dabei, die USA zu einem Netto-Exporteur von Energie zu machen. Gleichzeitig führte dies zu einer Senkung der Energiekosten im Land, was dem Thema in der Wählerschaft die Dringlichkeit nahm. Schlussendlich scheiterte Obamas Gesetzesinitiative jedoch an den Interessen demokratischer Senatoren, die Öl- und Gasfirmen in ihren Wahlkreisen beheimateten. Der Beitritt zum Klimaschutzabkommen von Paris, den Obama durch eine Executive Order vornahm, wurde durch Präsident Trump inzwischen zurückgenommen, ein Zeichen, so Jacobs, für die Zerbrechlichkeit des Vermächtnisses von Obamas Klimapolitik (77).
Ein offenes Versprechen
Gemischte Erfolge sieht Sarah Coleman hinsichtlich der Migrationspolitik Obamas, die sie demzufolge auch als ein noch offenes Versprechen bezeichnet (179). Sie betrachtet die Entwicklung der Migrationspolitik insbesondere unter dem Einfluss der 9/11-Attentate, die zu einer Sekurisierung geführt hätten. Wo vorher Öffentlichkeit und Gesetzgeber die Migrationspolitik noch unter arbeitspolitischen Aspekten diskutiert hätten, sei nach den Anschlägen mehr und mehr die sicherheitspolitische Perspektive in den Vordergrund getreten. Obama habe darum zu kämpfen gehabt, die Hoheit des Bundes über die Einwanderungsgesetzgebung gegen aktivistische Föderalstaaten in der Hand zu behalten. Angesichts einer Blockade im Kongress habe sich Obama in diesem Politikfeld in Folge vermehrt Executive Orders zugewandt, abzulesen an dem Deferred Action for Childhood Arrivals (DACA) und dem Deferred Action for Parents of Americans (DAPA). Er habe diese zu einer breit angelegten Legalisierung des Aufenthaltsstatus genutzt und damit Bildungs- und der Arbeitsmöglichkeiten für illegal eingereiste Migranten geschaffen. Coleman verweist jedoch ebenfalls auf die Aktivitäten zur Rückführung von Migranten mit unautorisiertem Aufenthaltsstatus durch das Immigrations and Customs Enforcement (ICE). Ihre Berechnungen zeigen, dass unter Präsident Obama bis Ende 2016 mehr als 2,5 Millionen Migranten abgeschoben wurden, wohingegen etwas mehr als 750.000 Migranten durch DACA eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten.
Es bleibt eine weite Zahl von Politikfeldern, die von den Autor*innen dieses Bandes den interessierten Lesern fundiert und einfach zugänglich gemacht wird. Dazu gehört unter anderem Obamas Politik in den Bereichen Supreme Court, Gleichberechtigung, Bildung, Drogenbekämpfung, Konterterrorismus und Bürgerrechte. Was die Vollständigkeit dieses Bandes angeht verwundert lediglich, dass die Außensicherheitspolitik mit Ausnahme der Afrikapolitik fast vollständig fehlt. Gerade in einem Land, in dem die Außenpolitik einer der Kernbereiche des Präsidenten darstellt, hätte man gerne mehr darüber erfahren.
Die Aussage, die von den Autoren des Bandes durchgängig wiederholt wird, dass es eine durch die Tea Party getriebene kompromisslose Haltung der Republikaner war, die zu mangelhaftem Fortschritt geführt hat, ist plausibel. Ein Hinweis auf strukturell zugrunde liegende Strömungen hätte den Wert dieses Bandes jedoch noch weiter gesteigert. Gleiches gilt für die Frage, warum es dem begnadeten Kommunikator Obama nicht gelang, seine Erfolg einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. An beiden Stellen hätte man sich etwas tiefer gehende Ausführungen gewünscht. Insgesamt aber liegt ein lesenswerter Band vor, der die zeithistorisch gesehen noch junge Präsidentschaft Barack Obamas angemessen würdigt und einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit der neueren US-amerikanischen Politik erlaubt.
Außen- und Sicherheitspolitik
Aus den Denkfabriken
William A. Galston
Obama’s uncertain legacy
Brookings Institution, 17. Januar 2017
Elaine Kamarck
The fragile legacy of Barack Obama
Brookings Institution, 6. April 2018
Literatur
Ben Rhodes
The World as It Is. A Memoir of the Obama White House
New York, Penguin Random House 2018
Rezension
{Bid=40560}Erste systematische Antworten wollte man finden – auf die Frage, ob es Barack Obama wie angekündigt gelungen ist, die USA nach innen und außen zu transformieren. Allerdings stammt die Endfassung der Beiträge aus der ersten Hälfte des Jahres 2016. Durch die Konzentration auf Absichten wie Erfolge oder Fehlschläge der linksliberalen Reformpolitik Obamas wirkt der Band ein Jahr nach Amtsantritt des Rechtspopulisten Trump zunächst etwas wie aus der Zeit gefallen. Dennoch lohnen die differenzierten Erkenntnisse die Lektüre, spiegeln sie doch wichtige Fragestellungen einer modernen, auf die Zukunft ausgerichteten Politik.
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Analyse
„Don't do stupid shit“. Die Obama-Doktrin oder die Suche nach einem außenpolitischen Erbe
Gibt es eine Obama-Doktrin, mit der sich das Denken und Handeln des damaligen US-Präsidenten nachvollziehbar erklären lässt? Axel Gablik analysiert die Interviews, die Jeffrey Goldberg unter dem Titel „Obama Doctrine“ in The Atlantic zusammenfasst hat, und sichtet weitere Veröffentlichungen zur US-amerikanischen Außenpolitik. Im Ergebnis erkennt er vor allem eine pragmatische, Verbündete einbeziehende Herangehensweise, mit der unter Wahrung der Führungsrolle der USA neue Konflikte und Kriege, die auch wieder nicht zu gewinnen gewesen wären, vermieden werden sollten.
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