Thomas Jäger / Heinz Gärtner / Jürgen Wilzewski (Hrsg.): Eine transformative Präsidentschaft. Die USA in der Ära Barack Obama
Erste systematische Antworten wollte man finden – auf die Frage, ob es Barack Obama wie angekündigt gelungen ist, die USA nach innen und außen zu transformieren. Allerdings stammt die Endfassung der Beiträge aus der ersten Hälfte des Jahres 2016. Durch die Konzentration auf Absichten wie Erfolge oder Fehlschläge der linksliberalen Reformpolitik Obamas wirkt der Band ein Jahr nach Amtsantritt des Rechtspopulisten Trump zunächst etwas wie aus der Zeit gefallen. Dennoch lohnen die differenzierten Erkenntnisse die Lektüre, spiegeln sie doch wichtige Fragestellungen einer modernen, auf die Zukunft ausgerichteten Politik.
Erste systematische Antworten wollte man finden – auf die Frage, ob es Barack Obama wie angekündigt gelungen ist, die USA nach innen und außen zu transformieren. Allerdings stammt die Endfassung der Beiträge, so ist dem Vorwort zu entnehmen, aus der ersten Hälfte des Jahres 2016 und damit aus einer Zeit, in der von den meisten politischen Beobachtern auf beiden Seiten des Atlantiks ein US-Präsident Donald Trump für undenkbar gehalten wurde. Entsprechend taucht er – ebenso wie der die US-amerikanische Linke repräsentierende Bernie Sanders – auch nur kurz unter Hinweis auf seine „krude[.] neo-merkantilistische[.] Rhetorik“ (206) auf. Durch die Konzentration auf Absichten wie Erfolge oder Fehlschläge der linksliberalen Reformpolitik Obamas, so deren Charakterisierung, wirkt der Band ein Jahr nach Amtsantritt des Rechtspopulisten Trump zunächst etwas wie aus der Zeit gefallen. Dennoch lohnen die zusammengetragenen und ausdifferenziert vorgetragenen Erkenntnisse der Autorinnen und Autoren die Lektüre, spiegeln sie doch wichtige Fragestellungen einer modernen, auf die Zukunft ausgerichteten Politik. Zu bedauern ist nur, dass die Herausgeber auf ein zusammenfassendes Fazit verzichtet haben.
Über den Versuch, kein imperialer Präsident zu sein
Die Beiträge sind in die Kapitel „Der Blick nach innen“ und „Der Blick nach außen“ geordnet, wobei der erste von Jürgen Wilzewski über die Frage, ob Obama die Dominanz der Exekutive zurücknehmen konnte, eher in den zweiten Teil gehört hätte: Vor allem mit Blick auf die Außenpolitik zeigt der Autor, wie sehr sich Obama bewusst war, dass eine demokratische Kontrolle in den Augen der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit der Politik erhöht. Infolge der Sicherheitspolitik nach 9/11 sei eben dies von der Bush-Administration vernachlässigt worden, ermöglicht durch ein „defektes demokratisches Entscheidungssystem“ (6) gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik. Wilzewski verdeutlicht allerdings unter Hinweis auf den Konflikt in Syrien, dass Obama nicht so einfach die „imperiale Präsidentschaft“ (6) abstreifen konnte: Für ein Eingreifen wollte er die Zustimmung der Legislative, also des Kongresses. Dieser aber zeigte keine Bereitschaft, in dieser Frage politische Verantwortung zu übernehmen. Ähnlich verhielt es sich bei der Aufgabenverteilung hinsichtlich der gezielten Tötungen durch Drohnen: Obama traf die Entscheidungen, der Kongress hielt sich zurück. Als Gegenbeispiel nennt der Autor die von Obama angestrebte Schließung des US-Gefangenenlagers in Guantánamo – der Kongress verweigerte die Mittel und verbot die Überführung von Gefangenen in die USA.
Damit ist eines von mehreren Beispielen genannt, die in den Analysen des Sammelbandes herangezogen werden und auf die wohl wichtigste Determinante dieser Präsidentschaft verweisen: die starke parteipolitische Polarisierung.
Blockade durch Polarisierung
Söhnke Schreyer arbeitet in seinem Beitrag auf, wie sehr Obama durch diese Polarisierung eingeschränkt wurde – „seine linksliberale Reformpolitik stand den zunehmend konservativen Präferenzen der Opposition diametral entgegen“ (25). Versuche, durch Einbindung republikanischer Politiker in sein erstes Kabinett, durch Kooperation der Parteien und parteiübergreifende Zusammenarbeit Reformen umzusetzen, wurden erschwert durch eine Haltung der Opposition, die immer mehr in eine Blockade überging. Schreyer identifiziert als Ursache den wachsenden Einfluss der Tea-Party-Bewegung innerhalb der Republikanischen Partei, die Obama sehr bald nach seiner Wahl zum Feind auserkoren hatte.
Weitere Beiträge zur Innenpolitik sind etwa der Wirtschafts-, der Gesundheits- oder der Einwanderungspolitik gewidmet – mit teils positiven Bilanzen, teils negativen. Die Folgen der – von ihr nicht verschuldeten – Wirtschafts- und Finanzkrise habe die Obama-Administration relativ erfolgreich überwunden, indem sie einen Mittelweg zwischen Transformation und Laissez-faire eingeschlagen habe, ohne substanzielle Änderungen einzuleiten. Auch bei der Reform des Gesundheitssystems sei ein moderates Konzept mit den Zielen verfolgt worden, die Kostenexplosion zu beenden und die Anzahl der nicht- oder unterversicherten Menschen zu senken – was erreicht worden sei. Allerdings seien die komplexen Auswirkungen dieser Reform weder von weiten Teilen der Bevölkerung noch der Politik richtig verstanden worden.
Gescheitert ist Obama dagegen bei dem selbstgesteckten Ziel, die Einwanderungspolitik zu reformieren. Uwe Wenzel schildert, wie der Versuch, fünf Millionen Menschen, die seit langer Zeit illegal in den Vereinigten Staaten leben, wenigstens per Dekret einen zeitlich begrenzten legalen Aufenthalt zu ermöglichen, von den Gerichten gestoppt wurde. Unter dem Einfluss der Tea Party kam es auch nicht zu einer Einigung mit den Republikanern über ein entsprechendes Gesetz – auf jener Seite des politischen Spektrums herrschte inzwischen bereits ein negatives Narrativ über die illegalen Migranten vor, verknüpft mit Fremdheitsvorstellungen gegenüber Mexikanern. Manfred Berg thematisiert anschließend das andauernde Problem des Rassismus. „Der Hass, der Obama in Teilen der weißen Gesellschaft und der Medien entgegenschlug, spiegelt auch die Wut darüber, dass sich die Zeiten ändern.“ (108) Zwar habe Obama in dieser Hinsicht über wenig Spielraum verfügt, aber immerhin habe sich durch ihn als schwarzen Präsidenten das Problembewusstsein für Rassismus verschärft. Und zu seiner Strategie der übergreifenden Konsensbildung gebe es auch in der Zukunft keine realistische Alternative.
Paradigmenwechsel in der Energiepolitik
Abgeschlossen wird das Kapitel über die Innenpolitik mit einem Beitrag von Stephan Liedtke zur Energiepolitik, deren Entwicklung auch auf den im nächsten Kapitel thematisierten Klimaschutz verweist. Die energiepolitischen Maßnahmen seien von Anbeginn ein wichtiger Teil der Regierungspolitik gewesen, sollte doch eine doppelte Abhängigkeit überwunden werden: vom hohen Energieverbrauch, abgedeckt vor allem durch die fossilen Brennstoffe Öl, Kohle und Gas, und von den Erdölimporten. Tatsächlich sei – vor allem auch infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise – der Gesamtenergieverbrauch von 2009 bis 2014 um nur vier Prozent gestiegen, zugleich sei der Bedarf verstärkt durch tiefere Bohrungen und das Fracking („Shale-Revolution“, 115) gedeckt worden. Von der angestrebten Energieunabhängigkeit könne allerdings keine Rede sein, schreibt Liedtke: „Die USA bleiben in internationale Energiemärkte integriert und besitzen ein ungebrochenes Interesse an Markt- und Preisstabilität.“ (116) Dennoch sei es zu bedeutenden Reformanstößen gekommen. Im September 2009 habe der Kongress den American Recovery and Reinvestment Act verabschiedet. Gefördert werden sollten demnach erneuerbare Energien, die Energieeffizienz erhöht und in energiebezogene Infrastrukturmaßnahmen investiert werden, verbunden mit einer Klimaforschung. Gezielt wurde mit diesem Gesetz auf einen technologischen Fortschritt, der neue Arbeitsplätze entstehen lassen und die Konjunktur ankurbeln sollte. Ergänzend wurde im August 2015 der Clean Power Plan erlassen, der eine Reform der Elektrizitätsgewinnung vorsah, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren; außerdem untersagte Obama den Bau der aus Umweltschutzgründen hoch umstrittenen Keystone-XL-Pipeline. Er habe wie seit Jahrzehnten nicht mehr die ihm zustehenden Kompetenzen des Präsidenten in der Energiepolitik genutzt, schreibt Liedtke, womit für diesen Bereich eine verhalten positive Bilanz zu ziehen sei.
Diplomatie und Pragmatismus
Die Beiträge im zweiten Kapitel spiegeln die zentralen Herausforderungen an den Außenpolitiker Obama: nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle, das dann abgeschlossene Atomabkommen mit dem Iran, Handelsliberalisierung, Klimaschutz und transatlantische Beziehungen vor allem unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim.
Der Vision einer atomwaffenfreien Welt, die Obama in seiner Prager Rede 2009 entworfen hat, ist nach wie vor weit von der Realität entfernt, muss es angesichts der herausziehenden Bedrohung durch Länder wie den Iran oder Nordkorea auch sein – so jedenfalls wird die Haltung des Kongresses als Vetospieler des Präsidenten interpretiert. Aber auch Obama habe seine Absicht nicht konsequent verfolgt, so sei keine „No First Use“-Regel festgelegt worden. Außerdem sei es im Zuge des im Dezember 2010 mit Russland vereinbarten New START Treaty zwar zu einer Begrenzung von Trägersystemen und Sprengköpfen gekommen, zugleich aber auch zu einer umfassenden Modernisierung der nuklearen Infrastruktur.
Dem Atomabkommen mit dem Iran sind gleich drei Beiträge gewidmet, der Tenor ist übereinstimmend: Mit einer Mischung aus diplomatischer Entschlossenheit und Konzentration auf das Machbare, kombiniert mit politischem und wirtschaftlichem Druck habe Obama Zeit gewonnen und das Nichtverbreitungsregime (vorerst) aufrechterhalten, wie Oliver Thränert schreibt. Die Alternative zu diesem Abkommen, das von den Republikanern von Anfang an als zu schwach angesehen wurde, tatsächlich aber das Mögliche erreichte, wäre – so wird in dem Beitrag von Heinz Gärtner und Hakan Akbulut deutlich – ein Krieg gewesen. Ob diese Eindämmung der nuklearen Ambitionen des Irans auf Dauer Erfolg haben wird, hängt allerdings nicht von Obama ab, kann nicht von ihm abhängen – sondern liegt in erster Linie in der Hand des Regimes in Teheran. Ein Beitrag zu Nordkorea – eigentlich ein Dauerbrenner der US-amerikanischen Sicherheitspolitik – fehlt.
Geostrategie – Ökonomie – Klima
In seiner zweiten Amtszeit gewann die Handelspolitik der Obama-Administration ein neues Profil, wie Andreas Falke erläutert. Das Transpacific Partnership (TPP) und das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) werden von ihm als ambitionierter, geostrategisch motivierter Entwurf identifiziert, „der die USA in den Mittelpunkt der Verbindung der wichtigsten Wirtschaftsräume stellt“ (193) – auch hier fällt der eklatante Unterschied zur Politik der gegenwärtigen Trump-Administration ins Auge, deren handelspolitische Aussagen eine Verkehrung der eigentlichen Absicht erkennen lassen, die USA als globale Ordnungsmacht zu festigen. Obamas erklärte Absicht war es, so Falke, dem Aufstieg Chinas ein westlich basiertes Regelsystem entgegen zu stellen. Aber schon zum Ende seiner Amtszeit hätten in beiden Parteien populistische Kritiker des Freihandels an Oberhand gewonnen.
Die Absicht, den Multilateralismus zu stärken, lässt sich auch in dem Beitrag von Florian Böller und Stefan Hagemann über die transatlantischen Beziehungen herauslesen, die unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim wieder enger geworden seien. Eine engere Beziehung zwischen den USA und Europa habe auf eine Re-Legitimierung der US-Außenpolitik durch Kooperation gezielt, allerdings auch ganz praktisch auf eine Senkung von Kosten. Zu beobachten sei aber auch eine Schwerpunktverlagerung des Interesses der USA gewesen: auf den asiatisch-pazifischen Raum.
Ein weiteres Themenfeld, das ebenso wie andere genannte (Einwanderungs-, Gesundheits-, Energiepolitik etc.) dann auch zügig von der Trump-Administration aufgegriffen wurde, ist das der Klimaschutzpolitik. Ronja Ritthaler-Andree beschreibt in ihrem Beitrag die Veränderungen, die die Wahrnehmung der Klimagerechtigkeit durch die Obama-Administration durchlaufen hat, den Einfluss, den die Haltung Chinas ausgeübt hat, sowie das Umweltbewusstsein der Bevölkerung in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage des Landes. Obamas Anerkennung der Tatsache, dass der Schutz des Klimas eine auch für die USA herausragende und für die Zukunft entscheidende Aufgabe ist, hatte allerdings kaum noch Konsequenzen. Die Autorin beschreibt auch für diesen Bereich die Auswirkungen der Parteienpolarisierung, im Kongress waren keine Kompromisse und damit keine Reformpolitik mehr möglich.
Fazit
Aus den Beiträgen herauslesen lässt sich zum einen, dass Präsident Obama das Leben vieler Menschen sicherer machen (Gesundheitsreform, Einwanderung, Atomabkommen mit dem Iran) und ihre Zukunft positiv gestalten (Klimaschutz, Handelsabkommen – ein Beitrag zur Bildungspolitik fehlt) wollte, ohne dabei die grundlegenden Spielregeln anzutasten (Wirtschaftspolitik). Zum anderen wird aber auch deutlich, wie beschränkt vor allem der innenpolitische Gestaltungsspielraum eines US-Präsidenten sein kann – die Verfassung räumt ihm zwar eine starke Position ein, lässt zugleich aber auch die Blockade seiner Politik zu. Unter dem Eindruck einer starken politischen Polarisierung sichern die Checks and Balances also nicht mehr ein ausgewogen funktionierendes System, sondern fördern politischen Stillstand.
Außen- und Sicherheitspolitik
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