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/ 18.06.2013
Horst Afheldt

Wirtschaft, die arm macht. Vom Sozialstaat zur gespaltenen Gesellschaft

München: Verlag Antje Kunstmann 2003; 256 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-88897-344-9
Das Sozialprodukt der Bundesrepublik hat sich seit 1970 mehr als verdoppelt - zugleich jedoch ist die Zahl der Arbeitslosen von rund 150.000 auf über 4 Millionen gestiegen und die der Sozialhilfeempfänger auf rund 4,5 Millionen (alte und neue Bundesländer) gegenüber 1,5 Millionen. Hinter diesen Größen liegen Umverteilungseffekte, die deutlich zulasten des Faktors Arbeit gehen: Während die durchschnittlichen Nettorealeinkommen seit Mitte der 70er-Jahre stagnieren, hat sich das Nettoeinkommen aus Unternehmen und Vermögen mehr als verdoppelt. Mit einer Vielzahl derartiger Beispiele beschreibt Afheldt im ersten Teil sehr plastisch Tendenzen und Spaltungslinien eines Wirtschaftssystems, das sich - unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung - an neoliberalen Grundsätzen eines offenen Weltmarktes orientiert. Die sozialen Kosten dieser Politik sind freilich zu hoch, weil - so das Credo des Autors - vergessen wird, dass „Wirtschaft [...] in der Gesellschaft statt[findet] und [...] dem Wohlergehen dieser Gesellschaft zu dienen [hat]" (106). Im zweiten Teil entwirft Afheldt eine Alternative gegenüber der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung. Diese würde eine gezielte „Zähmung" der ökonomischen Dynamik verlangen - einerseits nämlich eine Revitalisierung der Sozialstaatlichkeit und andererseits eine durch großregionale Märkte geordnete neue Weltwirtschaftsordnung. Gerade hinsichtlich des zweiten Aspekts argumentiert der Autor ebenso prononciert wie provokativ für einen europäischen Sozialprotektionismus. Ein „unabhängiges" sei kein „angloamerikanisches" Europa: „[Nur] wenn es gelingen sollte, ein politisch handlungsfähiges Europa zu formen, das sich entschließt, den ‚rheinischen Kapitalismus' wiederherzustellen, besteht eine Chance, das derzeitige, für den Wohlstand ineffiziente Wirtschaftssystem zu überwinden" (223).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.32.3424.432.22 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Horst Afheldt: Wirtschaft, die arm macht. München: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/19698-wirtschaft-die-arm-macht_22929, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 22929 Rezension drucken
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