Skip to main content
Analyse / 25.06.2025

Wie man Klimapolitik mehrheitsfähig macht

Foto: Martina Janochová via Pixabay

Wie können Regierungen ehrgeizige Klimapolitik umsetzen, ohne Wähler*innen zu verlieren – gerade in Regionen, die stark von fossilen Brennstoffen abhängen? Diane Bolet und Fergus Green zeigen am Beispiel Spaniens: Selbst weitgehende Maßnahmen können auf Zustimmung stoßen, wenn sie gerecht gestaltet, gut kommuniziert und lokal eingebettet werden.

Eine Analyse von Diane Bolet und Fergus Green

Die Dringlichkeit der Klimakrise setzt progressive Regierungen unter Druck, strenge klimapolitische Maßnahmen zu ergreifen, die im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens und des europäischen Green Deal stehen. Diese Maßnahmen haben aber häufig weitreichende politische Konsequenzen. Für Regierungen ist es schwierig, Klimamaßnahmen zu ergreifen, ohne politische Gegenreaktionen zu riskieren. Für progressive Regierungen, die ideologisch dazu neigen, sowohl sozioökonomische Gerechtigkeit als auch Umweltschutz zu fördern, sind diese Herausforderung besonders relevant.

Im Folgenden gehen wir auf diese Herausforderung ein und zeigen anhand eines Beispiels aus Spanien wie Klimapolitik gestaltet, verpackt, verhandelt und formuliert werden kann, damit sie bei den Wähler*innen an Popularität gewinnt. Im Zentrum des Interesses stehen dabei Gemeinden, die von der Förderung fossiler Brennstoffe betroffen sind.

Herausforderungen für die Klimapolitik

Die Unterstützung der Wähler*innen für strenge Maßnahmen im Umweltschutz bleibt aufgrund der hohen unmittelbaren Kosten und des ungewissen langfristigen Nutzens eine politische Herausforderung. Die Wähler*innen unterschätzen oft den Wert des Klimaschutzes, weil sein Hauptziel, die Verringerung der globalen Erwärmung, weit entfernt und ungewiss erscheint. Zudem schrecken die unmittelbaren finanziellen Auswirkungen der Energiewende – wie höhere Kosten für Konsumgüter wie Strom und Treibstoff – die Wähler*innen weiter ab, was diese Aspekte der Klimaschutzmaßnahmen besonders umstritten macht.

Die örtliche Konzentration der Kosten der Klimapolitik hat einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Unterstützung und das Wahlverhalten. Insbesondere Gemeinden, die von der Produktion fossiler Brennstoffe abhängig sind, sind auf Grund umweltpolitischer Maßnahmen mit unverhältnismäßig hohen wirtschaftlichen Belastungen konfrontiert. Für progressive Regierungen ist es daher wichtig, die Unzufriedenheit der Wähler*innen in diesen Regionen ernst zu nehmen, denn Oppositionsparteien nutzen diese Unzufriedenheit oft aus, um gegen Klimainitiativen zu mobilisieren und Wähler*innenstimmen zu gewinnen.[1]

Der Kohleausstieg in Spanien

Unsere Forschung zum Kohleausstieg in Spanien zeigt, wie politische Entscheidungsträger*innen den Verlust an Unterstützung in von fossilen Brennstoffen abhängigen Gemeinden abfedern können. Als die PSOE (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens) 2018 an die Macht kam, behandelte sie den geplanten Stopp des   Kohlebergbaus als Priorität. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Umsetzung einer Politik des gerechten Übergangs. Dieses Konzept, das sowohl die Verteilungs- als auch die Verfahrensgerechtigkeit beinhaltet, soll sicherstellen, dass die betroffenen Arbeitnehmer*innen und Gemeinden finanziell abgesicherte und würdige Wege zu alternativen und nachhaltigen Lebensgrundlagen haben.

Drei Monate vor den nationalen Wahlen in Spanien 2019 wurde im Rahmen eines dreiseitigen Sozialdialogs, an dem Kohleunternehmen, Gewerkschaften sowie lokale und nationale politische Akteur*innen beteiligt waren, eine Vereinbarung für einen gerechten Übergang getroffen. Die Vereinbarung sah die Schließung bestimmter Kohlebergwerke bis Dezember 2019 vor und beinhaltete ein Investitionspaket in Höhe von 250 Millionen Euro für die betroffenen Gemeinden. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehörten Vorruhestandsregelungen für Bergleute, Sozialhilfe für jüngere Bergleute und Investitionen auf Gemeindeebene in wirtschaftliche Diversifizierung, Unternehmensinitiativen und Umweltsanierung.

Umverteilung zugunsten betroffener Gruppen

Unsere Analyse dieses Beispiels aus Spanien zeigt, dass Politikpakete, die klimapolitische Maßnahmen mit Umverteilungsmaßnahmen verbinden, für besonders betroffene Arbeitnehmende und Gemeinden in fossilen Brennstoffindustrien und Regionen attraktiv sein können.[2] Wir haben festgestellt, dass die Vereinbarung über einen gerechten Übergang dazu beigetragen hat, die Unterstützung für die PSOE, die amtierende Regierung, in den Bergbaugemeinden bei den darauffolgenden Wahlen zu erhöhen. Dies deutet darauf hin, dass eine Politik des gerechten Übergangs politische Gegenreaktionen in den negativ betroffenen Gemeinden verhindern kann. Angesichts der Tatsache, dass die PSOE in den Kohlebergbaugemeinden hohe Wähleranteile hatte, hätte die Schließung eines wichtigen regionalen Industriezweigs eigentlich zu einem Verlust an Wählerstärke führen müssen. Doch wir stellten fest, dass die Kohlebergbaugemeinden die PSOE für die Umsetzung des Abkommens in Bezug auf einen gerechten Übergang belohnten.

Unsere Ergebnisse ergänzen die Umfrageergebnisse, die zeigen, dass politische Umverteilungspakete populär sein können. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass reine Umverteilungsversprechen von Politiker*innen und politischen Parteien tendenziell nicht ausreichen, um die Unterstützung der Bevölkerung für ehrgeizige Klimamaßnahmen zu gewinnen. Das Beispiel aus Spanien deckt sich mit umfassenderen Forschungsergebnissen, die darauf hindeuten, dass die Unterstützung der Bevölkerung für strenge Klimamaßnahmen effektiver aufgebaut werden kann, wenn politische Maßnahmenpakete in integrativen Prozessen entwickelt und der Öffentlichkeit sorgfältig vermittelt werden.

Inklusive Prozesse und strategische Kommunikation

Im Beispiel aus Spanien spielten die Gewerkschaften, die die Beschäftigten im Kohlebergbau vertreten, eine Schlüsselrolle als vertrauenswürdige Vermittler, die dazu beitrugen, die Legitimität des ausgehandelten Abkommens für einen gerechten Übergang in der Bevölkerung sicherzustellen. Während und nach den Verhandlungen organisierten die Gewerkschaften lokale Versammlungen, um ihre Mitglieder über die Verhandlungen, den Inhalt des Abkommens und die Position der Gewerkschaften zu informieren. Wir fanden heraus, dass stark gewerkschaftlich organisierte Bergbaugemeinden bei den Wahlen 2019 eher für die PSOE stimmten als weniger gewerkschaftlich organisierte Bergbaugemeinden. Diese Erkenntnis deckt sich mit den Ergebnissen einer Folgebefragung in denselben Gemeinden, die eine Woche vor den spanischen Parlamentswahlen 2023 zur Unterstützung des Maßnahmenpakets durchgeführt wurde.[3]

Trotz der strategischen Kommunikation über die Notwendigkeit eines gerechten Übergangs haben strenge klimapolitische Maßnahmen auch potenzielle Auswirkungen auf die Verbraucher*innen – und unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf Verbraucher*innen mit niedrigem Einkommen – in der gesamten Wirtschaft. Die zunehmende Politisierung der Besorgnis über die Auswirkungen der Klimapolitik bedeutet, dass progressive Parteien nicht nur auf die zugrundeliegenden Bedenken über Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit reagieren müssen, die als Reaktion auf die Klimapolitik geäußert werden, sondern auch die rhetorischen und Informationsstrategien besser verstehen und darauf reagieren müssen, mit denen rechtsradikale Parteien diese Bedenken ausnutzen.

Rechtsradikale Parteien stellen Klimapolitik als wirtschaftliche Belastung dar, die der einfachen Bevölkerung schadet. Sie framen sie häufig als ideologisch motivierte Projekte von internationalen Akteur*innen und Eliten, die versuchen, das Leben der einfachen Menschen zu kontrollieren. Eine Studie, die wir im Vereinigten Königreich durchgeführt haben, hat gezeigt, dass Menschen, die mit der ersten Art von Anti-Klimabotschaften konfrontiert wurden, die wirtschaftlich orientiert waren, Klimapolitik stärker ablehnten als Menschen, die mit Anti-Klimabotschaften konfrontiert wurden, die anti-elitär formuliert waren.[4] Wir haben auch untersucht, ob ein alternatives Framing, das betont, dass Klimamaßnahmen mit kompensatorischen Vorteilen einhergehen würden, die negativen Auswirkungen der Exposition gegenüber dem negativen Framing „Lebenshaltungskosten“ abmildert. Dies war nicht der Fall. Es ist jedoch weitere Forschung zum Framing der Klimapolitik erforderlich, bevor eindeutige Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit oder das Fehlen solcher progressiver «Gegenframes» gezogen werden können.

Fazit

Unsere Analyse zeigt, dass die Herausforderungen, die die Umsetzung der Klimapolitik mit sich bringt, zwar beträchtlich, aber nicht unüberwindbar sind. Selbst in Gemeinden, die fossile Brennstoffe produzieren, kann Zuspruch von Seiten der Wählenden erreicht werden. Eine erfolgreiche Strategie für eine gerechte Energiewende besteht in der Kombination einer strengen Klimapolitik sowie sektor- und ortsspezifischer Umverteilung.

Progressive Parteien sollten solche Strategien nutzen, um Unterstützungskoalitionen für strenge klimapolitische Maßnahmenpakete aufzubauen. Dies sollte ihre klimabewussteren, städtischen und berufstätigen Wähler*innen mit ihrer traditionellen Basis der Arbeiterklasse zusammenbringen. Klimapolitik kann auch an Popularität gewinnen, wenn sie in umfassendere progressive Reformpakete integriert und durch gezielten sozialen Dialog sowie aktive öffentliche Beteiligung unterstützt wird.



Anmerkungen:

[1] Egli, Florian; Nicolas Schmid & Tobias Schmidt (2022): Backlash to fossil fuel phase-outs. the case of coal mining in US presidential elections, in: Environmental Research Letters, 17(9), 094002.

[2] Bolet, Diane;  Fergus Green & Mikel Gonzalez-Eguino (2024): How to get coal country to vote for climate policy. The effect of a “Just Transition Agreement” on Spanish election results, in: American Political Science Review, 118(3), 1344-1359.

[3] Bolet, Diane;  Fergus Green & Mikel González-Eguino (2024): Long-Term Electoral Impact of Coal Country Just Transition Policies. Evidence from Spain, Working Paper.

[4] Bolet, Diane; Sarah Gomm & Fergus Green (2024): Does Anti-Climate Rhetoric Drive Public Opposition to Climate Policy? Testing Socio-Cultural and Economic Frames, Working Paper.


Wir danken dem Progressive Politics Research Network (PPRNet) für die Möglichkeit die Policy Briefs auf Deutsch veröffentlichen zu können. Die englischen Originale und weitere Informationen zum Netzwerk finden Sie hier: https://politicscentre.nuffield.ox.ac.uk/progressive-politics-research-network/research-briefs/
DOI: 10.36206/AN25.3
CC-BY-NC-SA