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Analyse / 11.12.2017

Dienst am Gemeinwohl. Teilhabe und Engagement durch Zivil- und Freiwilligendienste

Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste fördern das bürgerschaftliche Engagement sowie die soziale und politische Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern, schreibt Daniel Weyermann. Er zeigt am Beispiel der Schweiz, wie die staatlichen Dienste diese Rolle ausfüllen und damit das demokratische Gemeinwesen stärken.

Ein Zivi begleitet Klientin beim Einkauf Ein Zivi begleitet während eines Einsatzes in der ambulanten Pflege und Betreuung eine Klientin beim Einkauf. © Gaëtan Bally

 

Gliederung

1. Demokratien brauchen ihre Bürgerinnen und Bürger
1.1 Lebendige demokratische Gemeinwesen
1.2 Effektivität und Legitimität
2. Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste als Form der Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements
2.1 Der Zivildienst in der Schweiz
2.2 Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste in anderen Ländern Europas
2.3 Kritik an staatlichen Zivil- und Freiwilligendiensten
2.4 Wie fördern staatliche Zivil- und Freiwilligendienste soziale und politische Teilhabe?
3. Fazit

 

Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste fördern das bürgerschaftliche Engagement sowie die soziale und politische Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern. In diesem Artikel wird aufgezeigt, wie staatliche Zivil- und Freiwilligendienste diese wichtigen Güter demokratischer Gemeinwesen fördern und weshalb das wichtig ist. Im Mittelpunkt steht das Beispiel des Schweizer Zivildienstes.



1. Demokratien brauchen ihre Bürgerinnen und Bürger


In Island hat das Parlament im Nachgang der Finanzkrise von 2008 einen Bürgerrat eingesetzt, um eine neue Verfassung zu erarbeiten. Damit wollte man nach der tiefen Krise das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiedergewinnen und die politischen Institutionen auf ein neues, solides Fundament stellen. Während des gesamten Prozesses wurde eine breite Bürgerschaft stark in die Arbeiten an der neuen Verfassung miteinbezogen (siehe Landemore 2017: 767). Das Resultat stützt sich denn auch nicht so sehr auf das Wissen von Expertinnen und Experten oder die Erfahrung professioneller Politikerinnen und Politiker, sondern auf das Urteil des verfassunggebenden Bürgerrats und die Rückmeldungen aus mehreren öffentlichen Konsultationen oder aus dem „Crowdsourcing“.1

In der Schweiz werden viele politische Ämter – etwa in den Gemeinden oder den Parlamenten auf kantonaler und nationaler Ebene – von Berufsleuten im Ehrenamt ausgeübt. Diese tief verwurzelte Tradition des Milizprinzips gilt als wesentliches Fundament der Schweizer Demokratie. So ist auch die Landesverteidigung im Milizsystem organisiert. (Müller 2015)

Regierungen vieler weiterer demokratischer Länder unternehmen Anstrengungen, um die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürger an politischen Prozessen zu fördern. Ein Beispiel sind partizipative Budgets, bei denen Bürgerkomitees einen gewissen Teil des Geldes einer Stadt oder Gemeinde selbst verplanen können, so etwa in Porto Alegre (Brasilien) seit dem Ende der 1980er-Jahre (Baiocchi 2005, World Bank 2008, Montambeault 2015).2 Weitere Beispiele sind Varianten institutionalisierter Initiativ- oder Petitionsmöglichkeiten, bei denen etwa ein Anliegen, das genügend Unterschriften erhält, fest auf die Agenda des Parlaments gelangt oder gar der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt wird.3 Je nach Ausgestaltung der partizipativen Instrumente reicht die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern von der reinen Information über die Konsultation zu aktiver Kooperation oder Entscheidungsmacht.4


1.1 Lebendige demokratische Gemeinwesen


Weshalb diese Anstrengungen vieler demokratischer Gemeinwesen zur Förderung des Engagements und der Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern? Die Beispiele aus Island, der Schweiz und weiteren Teilen der Welt zeigen: Die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an ihrem demokratischen Gemeinwesen ist nicht nur erwünscht und wertvoll. Das bürgerschaftliche Engagement ist darüber hinaus eine entscheidende Grundlage funktionierender und lebendiger Demokratien. Denn Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie sind sowohl Souverän als auch Subjekt – sie wählen Parlament und Regierung, müssen sich deren Gesetzen und Entscheiden aber auch fügen. Das demokratische Gemeinwesen wird somit von Bürgerinnen und Bürgern für Bürgerinnen und Bürger organisiert. Das kann nur funktionieren und lebendig gestaltet werden, wenn diese ihr demokratisches Gemeinwesen mittragen. Sie sollten etwa abstimmen und sich über politische Entscheide und Entwicklungen informieren, ihren Beitrag in Form von Steuern leisten oder anstehende politische Aufgaben – wie allfällige Urnendienste bei Wahlen, Jurydienste oder Milizämter – übernehmen. Damit schaffen sie das Fundament ihres demokratischen Gemeinwesens. Das Gemeinwesen muss dazu Teilhabemöglichkeiten anbieten und die Bürgerinnen und Bürger müssen sie nutzen.5

Teilhabemöglichkeiten und bürgerschaftliches Engagement sind nicht nur entscheidend für die Funktionstüchtigkeit und Lebendigkeit einer Demokratie. Die Stärkung der Partizipation ist auch wichtig, um den Bürgerinnen und Bürgern ihre zentrale politische Rolle erfahrbar zu machen und die Identifikation mit ihrem demokratischen Gemeinwesen zu fördern. Nicht zuletzt ist vermehrte und verstärkte Teilhabe auch eine Möglichkeit, um den Beiträgen von Bürgerinnen und Bürgern zum Gemeinwesen vonseiten politischer Institutionen Wertschätzung entgegenzubringen.


1.2 Effektivität und Legitimität


Vermehrte und verstärkte Partizipationsmöglichkeiten erhöhen die Effektivität und Legitimität demokratischer Gemeinwesen. Regierungen sind effektiv, wenn sie fähig sind, die substanziellen Probleme zu lösen, für die sie eingesetzt werden (Fung 2015: 517). Die Effektivität wird durch bürgerschaftliche Partizipation erhöht, weil politische Institutionen dadurch über mehr Fähigkeiten, Ressourcen und Informationen zur Problemlösung verfügen.6 So können betroffene Bürgerinnen und Bürger üblicherweise konkrete Probleme genauer erfassen und formulieren als Außenstehende und entscheidende Informationen zur Problemlösung beisteuern.

Regierungen, Gesetze und Lösungen für Probleme eines demokratischen Gemeinwesens sind politisch legitim, wenn Bürgerinnen und Bürger angemessene Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Einflussnahme haben. Das Anliegen, die politische Legitimität demokratischer Gemeinwesen – und damit das Mitbestimmen und -gestalten durch Bürgerinnen und Bürger über regelmässige Wahlen in repräsentativen Demokratien hinaus – zu stärken, ist deshalb ein wichtiger Antrieb hinter vielen partizipativen Innovationen der letzten Zeit (Fung 2015: 515).7

Demokratische Gemeinwesen binden ihre Bürgerinnen und Bürger ein, indem sie ihnen Teilhabe ermöglichen und sie zu bürgerschaftlichem Engagement ermutigen. Sie tun dies, um ihre Funktionstüchtigkeit und Lebendigkeit zu sichern, aber auch um ihre Effektivität und Legitimität zu erhöhen.



2. Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste als Form der Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements


Eine selten unter diesem Aspekt beachtete Form der Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements sind staatliche Zivil- und Freiwilligendienste, wie sie in vielen europäischen Ländern existieren. Diese Form der Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements soll nun etwas genauer betrachtet und beurteilt werden. Wie funktioniert sie? Gibt es Kritik? Und wie ermöglicht sie Teilhabe und fördert Engagement?


2.1 Der Zivildienst in der Schweiz


In der Schweiz besteht für Männer die verfassungsmässige Pflicht, Militärdienst zu leisten. Wer den Militärdienst nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, erfüllt seine Pflicht im Zivildienst, der eineinhalb Mal länger dauert als der Militärdienst.8 Ein wichtiger Grundauftrag des Zivildienstes ist es somit, das Problem der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu lösen. Damit leistet er im Rahmen des Schweizerischen Milizsystems einen Beitrag zur Wehrgerechtigkeit, weil durch den Zivildienst mehr Männer ihre verfassungsmässige Pflicht tatsächlich und persönlich erfüllen. Zivildienstleistende (Zivis), die ihre Zivildienstpflicht nicht oder nur teilweise persönlich erfüllen, bezahlen eine Wehrpflichtersatzabgabe.

Der Zivildienst kommt laut Zivildienstgesetz (ZDG) dort zum Einsatz, wo Ressourcen für die Erfüllung wichtiger Aufgaben der Gemeinschaft fehlen oder nicht ausreichen.9 Daraus ergibt sich ein weiterer Grundauftrag des Zivildienstes: Die Erbringung ziviler Dienstleistungen im öffentlichen Interesse. Zur Erfüllung dieses Auftrags sind im ZDG folgende Ziele formuliert: (a) Den sozialen Zusammenhalt stärken, insbesondere die Situation von Betreuungs-, Hilfe- und Pflegebedürftigen verbessern; (b) friedensfähige Strukturen aufbauen und Gewaltpotenzial reduzieren; (c) die natürlichen Lebensgrundlagen schützen und erhalten sowie die nachhaltige Entwicklung fördern; (d) das kulturelle Erbe erhalten; (e) die schulische Bildung und Erziehung unterstützen; (f) Beiträge im Rahmen der Aufgaben des Sicherheitsverbundes Schweiz10 leisten.

Um diese Aufträge und Ziele zu erfüllen, leisten Zivis ihre Einsätze in einem der folgenden Tätigkeitsbereiche: Gesundheits-, Sozial- oder Schulwesen (Vorschulstufe bis Sekundarstufe II), Kulturgütererhaltung, Umwelt- und Naturschutz (inklusive Landschaftspflege und Wald), Landwirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, Vorbeugung von Katastrophen und Notlagen sowie Regeneration nach solchen Ereignissen.11

00 ZIVI MEDIENBILDER NEOPHYTEN 280513 04verkl
Zivis leisten ihre Einsätze in staatlich anerkannten Einsatzbetrieben. Diese Einsatzbetriebe sind entweder selbst öffentliche Institutionen (etwa Kantons- oder Gemeindestellen) oder aber private Institutionen, die in gemeinnütziger Weise tätig sind (etwa Altersheime, Vereine oder NGOs).12 Für die Zivildiensteinsätze gelten wichtige Einschränkungen: So dürfen Einsätze nicht in Institutionen geleistet werden, in denen der Zivi bereits anderweitig tätig ist – sei es beruflich, ehrenamtlich oder zu Ausbildungszwecken. Zivis dürfen auch nicht auf die politische Meinungsbildung einwirken oder religiöses Gedankengut verbreiten. Zudem dürfen die Einsätze nicht primär privaten Zwecken des Zivis dienen, etwa der Aus- oder Weiterbildung.13


Dieses Bestreben nach staatlicher Neutralität bei der Verteilung von Ressourcen – in diesem Fall von geleisteten Zivildiensttagen – zeigt sich auch in einem weiteren Grundsatz des Zivildienstes: der Arbeitsmarktneutralität. Einsätze der Zivis dürfen keine bestehenden Arbeitsplätze gefährden, die Lohn- oder Arbeitsbedingungen im Einsatzbetrieb nicht verschlechtern und die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen. Die anerkannten Einsatzbetriebe haben zudem keinen Anspruch auf die Zuweisung von Zivis.14

Die Arbeitsmarktneutralität wird in der Praxis dadurch erreicht, dass die Anzahl der Einsatzplätze eines Einsatzbetriebes beschränkt ist und dass Pflichtenhefte der Zivis so ausgestaltet werden, dass sie keine bestehenden Arbeitsplätze konkurrenzieren. Zudem bezahlen Einsatzbetriebe für die Einsätze der Zivis eine Abgabe, was sie motiviert, die Zivis gezielt einzusetzen. Die Einhaltung der Regeln wird durch regelmässige Inspektionen der Vollzugsstelle für den Zivildienst (ZIVI) sichergestellt. Bei den Inspektionen wird der Arbeitsmarkneutralität besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Das Vollzugsmodell des Schweizer Zivildienstes gibt den Zivis einerseits Freiheiten, andererseits Verantwortung in der Planung ihrer Einsätze. Das wirkt sich positiv auf ihre Motivation und den Erfolg ihrer Einsätze aus. Zwar gibt es Vorgaben zu Dauer und Frequenz von Einsätzen sowie Einschränkungen bei der Wahlfreiheit von Tätigkeitsbereichen. Viele Zivis müssen zudem eine gewisse Anzahl an Tagen in einem der Schwerpunktprogramme – etwa „Pflege und Betreuung“ oder „Umwelt- und Naturschutz“ – leisten, da dort der Bedarf nach Einsätzen besonders groß ist. Ansonsten steht es dem Zivi aber frei, bei welchem Einsatzbetrieb er sich bewirbt und wann und wie lange er dort seinen Einsatz leistet.

Zivis absolvieren abhängig von der Länge des Einsatzes und den Anforderungen der Pflichtenhefte eine kurze Ausbildung. Damit wird der Nutzen der Einsätze erhöht. Bei Pflege- und Betreuungsaufgaben besuchen Zivis etwa ab einer Einsatzdauer von zwei Monaten einen einwöchigen Grundkurs „Kommunikation und Betreuung“ sowie einen ebenfalls einwöchigen, einsatzspezifischen Vertiefungskurs (zum Beispiel „Pflegehilfe“ oder „Betreuung von Betagten“). Dauert der Einsatz länger als sechs Monate, erfolgt ein weiterer einwöchiger Vertiefungskurs.

Die Einsätze sind vielfältig und werden in allen Landesteilen – oder im Ausland – geleistet: etwa in einem Freilichtmuseum im Berner Oberland, in einem Alterswohnheim in Bellinzona, bei Asylsuchenden in Lausanne, auf der Alp in Nidwalden, beim Katastrophen-Einsatz nach einem Unwetter in Menznau oder bei Feldarbeiten in Nepal.15 Zivis erhalten, wie Angehörige der Armee, für ihre Einsätze einen Erwerbsersatz ausbezahlt. Diese Zahlung übernimmt eine staatliche Ausgleichskasse.16

Per Ende 2016 hatte der Zivildienst 44.000 Zivildienstpflichtige, wovon rund 27.000 noch nicht alle verfügten Zivildiensttage geleistet hatten. Diese rund 27.000 Zivis leisteten im Jahr 2016 insgesamt circa 1,71 Millionen Diensttage, drei Viertel davon im Gesundheits- und Sozialwesen (sei es in der Pflege und Betreuung von Menschen oder in Küche, Wäscherei, technischem Dienst etc.) und weitere rund 11 Prozent im Umwelt- und Naturschutz. Täglich stehen in der Schweiz rund 4.500 Zivis im Einsatz.17


2.2 Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste in anderen Ländern Europas


Einen Zivildienst gibt es in denjenigen Ländern Europas, in denen nach wie vor die Wehrpflicht gilt. Dies ist neben der Schweiz etwa in Österreich und Finnland der Fall. Auch dort löst der Zivildienst das Problem der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Die gesetzlichen Grundlagen und Rahmendbedingungen des Vollzugs sind unterschiedlich.18 Der Zivildienst enthält aber in allen erwähnten Ländern ein Element des Zwangs, da der Dienst eine verfassungsmässige Bürgerpflicht darstellt und daher geleistet werden muss. Allerdings bestehen auch in allen Ländern Spielräume bezüglich Art, Ort und Zeitpunkt des Einsatzes.

Anders verhält es sich bei staatlichen Freiwilligendiensten, wie sie in manchen europäischen Ländern – oft nach Abschaffung der Wehrpflicht – eingerichtet worden sind. Ein Hauptunterschied zum Zivildienst besteht darin, dass Freiwilligendienste kein Element des Zwangs enthalten; sie werden aus freien Stücken geleistet. Hier übernimmt der Staat die Organisation oder Kosten eines Freiwilligendienstes, um Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform für freiwilliges Engagement zu bieten.

Beispiele hierzu sind der Bundesfreiwilligendienst19 in Deutschland, der Service Civique20 in Frankreich, der Servizio Civile Nazionale21 in Italien oder der National Citizen Service22 in Grossbritannien. Auf der europäischen Ebene wurde Ende 2016 das Europäische Solidaritätskorps23 eingerichtet. Das Korps ergänzt ältere Programme der EU zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und der europäischen Integration, wie den Europäischen Freiwilligendienst24.

Die Freiwilligendienste in den verschiedenen Ländern unterscheiden sich in Dienstzweck, Einsatzfeldern, Zugangsbestimmungen oder Altersbegrenzungen für Freiwillige.25 Alle Freiwilligendienste haben gemeinsam, dass sie staatlich organisiert und finanziert sind sowie soziale und politische Teilhabe durch freiwilliges bürgerschaftliches Engagement fördern.

Wasserversorgungsprojekt in Nepal. © Prabin Manandhar
Der Zivildienst teilt mit staatlich organisierten Freiwilligendiensten das ihnen zugrundeliegende bürgerschaftliche Engagement. Beide Formen des Dienstes ermöglichen soziale sowie politische Teilhabe.26 Engagement kann sich also nicht nur in einem freiwilligen Dienst, sondern auch unter Rahmenbedingungen der Dienstpflicht entfalten: Förderlich wirkt sich auf das Engagement aus, dass Zivis ihre Einsätze selbst auswählen. Sie haben die Wahl zwischen sehr unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen und Einsatzbetrieben, ähnlich wie Freiwillige in den Freiwilligendiensten. Die Wahlmöglichkeit wirkt sich positiv auf die Bereitschaft aus, Einsätze mit Engagement zu leisten, da sich Zivis eher Einsätze suchen, die ihnen sinnvoll erscheinen. Da die Planung und Organisation der Einsätze zudem weitestgehend Aufgaben des Zivis sind, sind bürgerschaftliche Tugenden wie Initiativfähigkeit und Selbstverantwortung gefragt. Diese Eigenheiten machen den Zivildienst zu einer Dienstpflichtform, bei der bürgerschaftliches Engagement nicht nur gefördert, sondern auch gefordert wird. Natürlich muss nicht jeder Zivildiensteinsatz notwendigerweise von bürgerschaftlichem Engagement getragen sein – der Zivi kann seinen Einsatz auch als Pflichtveranstaltung abtun. Dies scheint aber, zumindest in der Schweiz, nicht üblich. Die Zufriedenheit der Einsatzbetriebe lässt darauf schliessen, dass viele Zivis ihre Einsätze motiviert und engagiert absolvieren.


2.3 Kritik an staatlichen Zivil- und Freiwilligendiensten


Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste stehen auch in der Kritik. Zwei Vorwürfe, die zuweilen erhoben werden, betreffen erstens die Gefährdung der Arbeitsmarktneutralität und zweitens den Vorwurf des eingeschränkten Zugangs.

Eine Sorge ist, dass staatliche Zivil- und Freiwilligendienste durch ihr Angebot an Zivis oder Freiwilligen reguläre Arbeitsstellen gefährden und den Wettbewerb verzerren. Grundsätzlich werden etwa Zivis und analog Freiwillige27 dort eingesetzt, wo den Einsatzbetrieben Ressourcen für die Erfüllung wichtiger Aufgaben fehlen. Zivis und Freiwillige übernehmen somit grundsätzlich nur Aufgaben, die sonst liegen blieben. Einsätze von Zivis oder Freiwilligen, die der Arbeitsmarkneutralität entgegenlaufen, verlieren ihre Legitimität, da sie sich nicht ergänzend, sondern konkurrenzierend zum Arbeitsmarkt verhalten. Zwar gibt es keine absolute Arbeitsmarktneutralität. Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste tun aber gut daran, diese so weit wie möglich einzuhalten und zu überprüfen. Insbesondere dürfen die Einsätze keine Stellen gefährden.

Ein weiterer Vorwurf betrifft den eingeschränkten Zugang zu Zivil- und Freiwilligendiensten. So wurde etwa bemerkt, dass freiwilliges Engagement ein Mittelschichtsphänomen sei (Anheier 2011: 131) und dass einige Bevölkerungsgruppen bei dieser Form der Teilhabe – etwa Jugendliche ohne Bildungsabschluss oder Immigranten – unterrepräsentiert seien (Jakob 2013: 26; BMFSFJ 2016: 9). Beim Zivildienst in der Schweiz wird zum Teil moniert, dass der Dienst nur militärdiensttauglichen Männern zugänglich ist. Somit haben Militärdienstuntaugliche sowie Frauen28 oder Ausländerinnen und Ausländer keine Möglichkeit, Zivildienst zu leisten – auch wenn sie einen solchen staatlichen Dienst für das Gemeinwohl gerne leisten würden.

Beim Schweizer Zivildienst ist diese Einschränkung auf Männer durch einen Artikel in der Verfassung abgestützt – die Wehrpflicht gilt nur für Männer. Allerdings wird die Öffnung des Zivildienstes diskutiert.29 Im Bericht einer Studiengruppe aus dem Jahr 2016, die auf Beschluss der Regierung hin eingesetzt wurde und sich mit grundlegenden Fragen zur Weiterentwicklung der Dienstpflicht in der Schweiz auseinandersetzte, wird als positiver Effekt eines freiwilligen Zivildienstes zwar die Förderung der Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann erwähnt (Schweizerische Eidgenossenschaft/Studiengruppe Dienstpflichtsystem 2016: 115). Die Studiengruppe rät aber nach weiteren Erwägungen, etwa wegen des Problems der Vermischung eines obligatorischen mit einem freiwilligen Zivildienst, explizit von der Einführung eines freiwilligen Zivildienstes ab (Studiengruppe Dienstpflichtsystem 2016: 117).30

Für allgemein zugängliche Freiwilligendienste gilt aber: Gleiche Zugangs- und Beteiligungschancen bei Freiwilligendiensten sind wichtig, um diese Möglichkeit der Teilhabe allen Bevölkerungsgruppen zu eröffnen. Gleiche Zugangs- und Beteiligungschancen sollten erklärte Ziele neutraler, staatlicher Freiwilligendienste sein.31

Die Kritik zeigt, dass zu staatlichen Zivil- und Freiwilligendiensten politische Diskussionen im Gang sind. Zur Beachtung der Arbeitsmarkneutralität etwa bestehen griffige Instrumente.


2.4 Wie fördern staatliche Zivil- und Freiwilligendienste soziale und politische Teilhabe?


Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste leisten einen wertvollen Beitrag zur sozialen und politischen Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern und fördern deren bürgerschaftliches Engagement. Wie erreichen sie das? Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste sind, erstens, Lerndienst für die Dienstleistenden. Des Weiteren vermehren diese Dienste verschiedene Formen des sozialen Kapitals in einem demokratischen Gemeinwesen. Sie haben auch einen weiteren positiven Effekt, nämlich die Stärkung der Resilienz von Gemeinwesen gegenüber Katastrophen und Notlagen.

2.4.1 Lerndienst
Zivil- und Freiwilligendienste sind Lerndienste für die Dienstleistenden. (Jakob 2013: 6 f.) In Zivil- und Freiwilligendiensten lernen Zivis und Freiwillige neue Welten kennen – etwa in der Arbeit mit Betagten und Jugendlichen oder bei Tätigkeiten im Umweltschutz. Damit gehen eine Horizonterweiterung und das Kennenlernen anderer Lebenswelten und Perspektiven einher. Das fördert Austausch, gegenseitiges Verständnis und soziale Teilhabe bei allen Involvierten.

Die Erfahrungen im Dienst können auch wichtige Impulse für die Lebensplanung setzen. Wie ein Zivi im Rückblick auf seinen Dienst festhält, der nun mit Menschen mit Beeinträchtigungen tätig ist: „Ohne Zivildienst-Erfahrung würde ich wahrscheinlich in einem Büro arbeiten.“ (Praz 2017: 30)

Die Dienste können ebenfalls wichtige Impulse für das spätere, lebenslange bürgerschaftliche Engagement der Dienstleistenden setzen. Die konkrete Unterstützung gesellschaftlicher Anliegen und des Gemeinwohls motiviert nicht selten zu weiterem bürgerschaftlichem Engagement. In Österreich ist der Zivildienst erklärtermaßen ein wichtiger Lieferant von Freiwilligen. Ungefähr 26 Prozent der österreichischen Zivildiener – wie sie dort genannt werden – sind nach dem Zivildienst weiterhin in ihrer Einrichtung als Freiwillige tätig (Schober 2012, 11; 38 ff.; 53 f.). Die Zahlen aus Österreich zeigen, dass die Dienste die soziale Teilhabe von ehemaligen Zivis und Freiwilligen fördern. Das stellt einen wichtigen gesellschaftlichen Nutzen des Zivildienstes dar.

Das Motto des Lerndienstes wird im Bundesfreiwilligendienst auch wörtlich genommen. Dort sind bei einer zwölfmonatigen Dienstdauer 26 Bildungstage vorgesehen. Diese sind für die Freiwilligen kostenfrei. Die Kurse setzen – nebst allgemeineren sozialen und interkulturellen Kompetenzen oder einsatzspezifischen Inhalten – auch explizit auf politische Bildung. Ein Kurs zu politischen Fragen und Zusammenhängen ist ein fester Bestandteil im Ausbildungsgang aller Freiwilligen.32

Die Kurse werden in den 17 extra dafür betriebenen Bildungszentren des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFza) angeboten.33 Diese Zentren betreiben die Infrastruktur des inzwischen abgeschafften deutschen Zivildienstes weiter.


2.4.2 Soziales Kapital

Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste vermehren verschiedene Formen des sozialen Kapitals in einem demokratischen Gemeinwesen. Die soziale Teilhabe und das bürgerschaftliche Engagement, die durch diese Dienste ermöglicht und gefördert werden, tragen damit zum generalisierten Vertrauen34 und sozialen Zusammenhalt von Bürgerinnen und Bürgern solcher Gemeinwesen bei.

Soziales Kapital besteht aus Ressourcen, die den Mitgliedern einer Gemeinschaft aus ihren sozialen Kontakten und Netzwerken erwachsen. Soziales Kapital wird etwa dann eingesetzt, wenn Bekannte oder Nachbarn bei der Stellensuche helfen oder Freunde und Familie in Krisenzeiten finanzielle Unterstützung leisten. (Woolcock 2001: 12; Hawkins/Maurer 2010: 1778)

Es gibt verschiedene Formen von sozialem Kapital. Eine findet sich in Kontakten zwischen Menschen mit gemeinsamen Merkmalen, wie in der Familie, in einem Freundeskreis oder in Kirchgemeinden (sogenanntes bindendes Sozialkapital). Eine andere Form des Sozialkapitals umfasst Kontakte zwischen Menschen, die ansonsten nichts miteinander zu tun haben und sich in sozialen Hinsichten unterscheiden, etwa bezüglich Alter, sozio-ökonomischem Status, Bildung oder Ethnie (sogenanntes überbrückendes Sozialkapital). Eine weitere Form des Sozialkapitals sind Kontakte zu staatlichen Institutionen und zu deren Vertretern (sogenanntes koppelndes Sozialkapital).35

Die verschiedenen Formen des sozialen Kapitals in den erwähnten Kontakten und Netzwerken schaffen Vertrauen und Zusammenhalt zwischen Bürgerinnen und Bürgern verschiedenster Herkunft sowie zwischen ihnen und den Institutionen demokratischer Gemeinwesen. Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste ermöglichen insbesondere die Bildung der beiden letztgenannten Formen, des überbrückenden und des koppelnden Sozialkapitals.36

Wie tun sie das? Freiwillige und Zivis begeben sich oft in andere soziale Welten, um ihren Dienst zu leisten – etwa mit Betagten oder mit Kindern –, was bei sozialen Kontakten in überbrückendes Sozialkapital mündet. Dadurch, dass sie einen staatlichen Dienst leisten, haben sie zudem selbst mit einer staatlichen Institution für die Durchführung ihrer Einsätze zu tun, was das koppelnde Sozialkapital aller Beteiligten fördert. Dienstleistende sind in ihren Einsätzen auch Repräsentanten einer staatlichen Institution. Die Arbeit im Dienste dieser staatlichen Institution verbindet (oder „koppelt“) Dienstleistende und Einsatzbetriebe sowie weitere Betroffene und Beteiligte tendenziell mit der Institution. Der Dienst weckt zudem Vertrauen – vorausgesetzt natürlich, dass der Einsatz Nutzen stiftet und zufriedenstellend verläuft.


2.4.3 Resilienz

Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste stärken auch die Resilienz demokratischer Gemeinwesen gegenüber Krisen und Notlagen. Das ergibt sich aus der Stärkung des sozialen Kapitals des Gemeinwesens durch diese Dienste.

Das Konzept des Sozialkapitals hat dazu beigetragen, die Resilienz von Gemeinwesen gegenüber Katastrophen und Notlagen besser zu verstehen. So wurde etwa die Bewältigung der Verwüstung nach dem Hurricane Katrina in den USA im Jahr 2005 unter diesem Gesichtspunkt untersucht (Hawkins/Maurer 2010). Es scheint klar, dass alle Formen des Sozialkapitals einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser Notlage beitrugen. Das ist einsichtig: Je mehr Netzwerke und soziale Kontakte zur Bewältigung einer Notlage mobilisiert werden können und je mehr Vertrauen in Institutionen und deren Vertreter besteht, desto effektiver wird ein Gemeinwesen tendenziell in der Bewältigung von Notlagen sein.37


3. Fazit

Staatliche Zivil- und Freiwilligendienste unterscheiden sich zwar bezüglich Dienstpflicht beziehungsweise Freiwilligkeit, beide Dienste sind jedoch eine wertvolle Form bürgerschaftlichen Engagements für das Gemeinwohl. Sie fördern die soziale und politische Teilhabe der Dienstleistenden und weiterer Beteiligter.

Obwohl es gegenüber staatlichen Zivil- und Freiwilligendiensten auch kritische Stimmen gibt – etwa wenn es um die Arbeitsmarkneutralität oder soziale Ausgrenzung geht –, liegt ein Nutzen der Dienste in ihrer Förderung von sozialer und politischer Teilhabe. Die Lernerfahrung der Dienstleistenden fördert die soziale Teilhabe aller Beteiligten. Soziale und politische Teilhabe werden durch vermehrte soziale Kontakte und Netzwerke – und insbesondere durch überbrückendes und koppelndes Sozialkapital – erreicht. Ein weiterer positiver Effekt der Dienste liegt darin, dass sie die Resilienz von Gemeinwesen gegenüber Katastrophen und Notlagen stärken.

Die dargelegten Zusammenhänge zwischen staatlichen Zivil- und Freiwilligendiensten sowie der Teilhabe und dem bürgerschaftlichen Engagement sind in der Theorie gut erforscht. Allerdings lassen sie sich in der Praxis nicht einfach messen. Aus der Erfahrung der Vollzugsstelle für den Zivildienst (ZIVI) sind sie aber plausibel. Was den Schweizer Zivildienst angeht, so wird zu den hier aufgeworfenen Fragen noch wenig geforscht. Auch fehlen länderübergreifende Studien oder Vergleiche. Hier besteht ein Bedarf nach weiterer Forschung.

___________________

1  Die so erarbeitete Verfassung ist aus politischen Gründen im Parlament bisher blockiert worden, obwohl sie 2012 in einem nicht bindenden Referendum von der Bevölkerung angenommen wurde. Siehe Landemore 2017, Landemore 2015, Olafsson 2016, Gylfason 2013 für weitere Informationen.
Für einen Überblick zu weltweiten Entwicklungen bezüglich partizipativen Budgets siehe etwa Shah 2007.
3  Beispiele hierzu sind etwa die Europäische Bürgerinitiative der EU (siehe http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/welcome besucht am 20. Sept. 2017), die Volks- und Bürgerbegehren (in Ländern resp. Kommunen) in Deutschland (siehe Rehmet/Weber 2016), die Bürgerinitiative in Finnland (siehe http://openministry.info/finnish-citizens-initiative besucht am 20. September 2017) sowie die Volksinitiative in der Schweiz, mit der das Volk direkt Verfassungsänderungen veranlassen kann (https://www.bk.admin.ch/themen/pore/vi/index.html?lang=de, besucht am 20. September 2017).
Siehe etwa Arnstein 1969; IAP2 2014
5  Die hier geschilderte Sicht auf das demokratische Gemeinwesen mag „republikanisch“ – im Gegensatz zu „liberal“ – anmuten. Republikanische Demokratietheorien setzen für das Funktionieren von Demokratien üblicherweise stark auf die Idee politischer Bürgertugenden, während sich liberale Theorien eher auf angemessene politische Institutionen und Prozesse des Verfassungsstaates konzentrieren (siehe etwa Münkler/Loll 2005, 5 f.). Allerdings kommen auch demokratische Gemeinwesen liberaler Prägung nicht ohne politisch engagierte Bürgerinnen und Bürger aus: Dialog, Austausch von Argumenten und Sichtweisen sowie Teilhabe am politischen Leben sind auch in einer liberalen Ethik der Bürgerschaft wichtig (siehe dazu etwa Weithman 2004, Kapitel 1 und Kapitel 4-7).
6  Als Beispiele dienen hier etwa Milizämter in der Gemeinde, wie zum Beispiel Schulräte, Abstimmungs- und Wahlausschüsse oder lokale Parlamente. So fließen Informationen, Ressourcen und Fähigkeiten aus dem privaten oder beruflichen Leben in die Bewältigung lokaler, politischer Herausforderungen.
7  Fragen zur politischen Legitimität sind vielfältig, siehe weiterführend etwa die Übersicht in Peter 2017.
8  Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV), Art. 59, Abs. 1.
9  ZDG, Art. 2, Abs. 1
10 Der Sicherheitsverbund Schweiz (SVS) umfasst alle sicherheitspolitischen Instrumente des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. Er berät und koordiniert bei sicherheitspolitischen Herausforderungen, die Bund und Kantone gemeinsam betreffen (siehe http://www.svs.admin.ch, besucht am 20. September 2017).
11 ZDG, Art. 4, Abs. 1
12 ZDG, Art. 3
13 ZDG, Art. 4a
14 ZDG, Art. 6
15 Für Erfahrungsberichte zu diesen Einsätzen siehe ZIVI 2017, S. 18-23, 36-41, 76-81, 88-123, 140-145.
16 ZDG, Art. 38
17 Für weitere Zahlen zum Schweizer Zivildienst, siehe ZIVI 2016.
18 Für weiterführende Informationen siehe http://sivarikeskus.fi/ für Finnland und http://www.bmi.gv.at/cms/zivildienst/ für Österreich (besucht am 20. September 2017).
19 Siehe http://www.bundesfreiwilligendienst.de/ (besucht am 20. September 2017)
20 Siehe http://www.service-civique.gouv.fr/ (auf Französisch, besucht am 20. September 2017)
21 Siehe http://www.serviziocivile.gov.it/ (auf Italienisch, besucht am 20. September 2017)
22 Siehe https://www.gov.uk/government/get-involved/take-part/national-citizen-service (auf Englisch, besucht am 20. September 2017)
23 Siehe https://europa.eu/youth/SOLIdARity_de (besucht am 20. September 2017)
24 Siehe https://www.go4europe.de/ (besucht am 20. September 2017)
25 Siehe Informationen zu den verschiedenen Freiwilligendiensten oben. Ein Zweck des Bundesfreiwilligendienstes in Deutschland ist zum Beispiel, die institutionellen Strukturen des ehemaligen Zivildienstes aufrecht zu erhalten, um im Falle der Wiedereinführung der Wehrpflicht die notwendigen Organisationsstrukturen zur Verfügung zu haben (Jakob 2013: 18). Diesen Zweck verfolgen andere Freiwilligendienste, soweit ersichtlich, nicht. Für interessante Übersichten zu Zwecken von Freiwilligendiensten siehe Levine 2008 und Stengel 2007.
26 Siehe dazu Kapitel 2.4.
27 Siehe etwa https://www.bundesfreiwilligendienst.de/der-bundesfreiwilligendienst/a-bis-z.html unter „Arbeitsmarkneutralität“ (besucht am 20. September 2017).
28 Für Schweizer Frauen besteht theoretisch die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten. Dazu müssen sie sich freiwillig für den Militärdienst anmelden und dann einen Gewissenskonflikt geltend machen, um in den Zivildienst zu wechseln. In der Schweiz werden nur sehr wenige Frauen zum Zivildienst zugelassen.
29 Siehe etwa die Motion der Grünen Partei vom 15. Juni 2017 „Einführung eines freiwilligen Zivildiensts für Frauen, Ausländerinnen und Ausländer“ (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20173525, besucht am 20. September 2017) oder das Postulat der Grünliberalen Fraktion vom 19. März 2017 „Stärkung des Milizsystems durch einen allgemeinen Bürgerdienst“ (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20153290, besucht am 20. September 2017).
30 Sie argumentiert weiter (a) mit dem ungeklärten Bedarf für einen solchen freiwilligen Dienst, (b) mit der möglichen Unterwanderung der etablierten gemeinnützigen Freiwilligenarbeit sowie (c) mit der Schwierigkeit, unter gegebenen Rahmenbedingungen (Arbeitsmarkneutralität) genügend Einsatzplätze zur Verfügung zu stellen (Schweizerische Eidgenossenschaft/Studiengruppe Dienstpflichtsystem, 116).
31 Dies ist, etwa in Deutschland, auch der Fall. Siehe BMFSFJ 2016, 9.
32 Siehe https://www.bundesfreiwilligendienst.de/der-bundesfreiwilligendienst/paedagogische-begleitung.html, besucht am 20. September 2017
33 Siehe http://www.bafza.de/das-bundesamt/organisation/bildungszentren.html, besucht am 20. September 2017
34 Generalisiertes Vertrauen unterscheidet sich etwa vom Vertrauen in eine einzelne Person. Es beschreibt das generalisierte Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in andere Bürgerinnen und Bürger eines Gemeinwesens. Siehe dazu etwa Stolle 2002.
35 Für eine Übersicht zu den verschiedenen Formen sozialen Kapitals und weiterführende Literatur dazu, siehe Hawkins/Maurer 2010, 1778 ff. Für einen spezifischen Blick in die Schweiz, siehe Freitag 2014.
36 Die hier verwendete Kategorisierung sozialen Kapitals wurde aus der englischsprachigen Literatur übernommen (siehe etwa Referenzen oben). Sie entspricht den Formen „bonding social capital“ (hier: bindendes Sozialkapital), „bridging social capital“ (hier: überbrückendes Sozialkapital), „linking social capital“ (hier: koppelndes Sozialkapital).
37 Für eine kurze Übersicht zur Resilienz von Gemeinschaften und der Rolle des Sozialkapitals dabei siehe Beerlage 2016, 30.


Literatur

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