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/ 08.08.2013
Geert Mak

Amerika! Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke und Gregor Seferens

Berlin: Siedler Verlag 2013; 621 S.; Ln., 34,99 €; ISBN 978-3-8275-0023-6
Verstehen und Verständnislosigkeit wachsen mit jedem gefahrenen Kilometer, immer fremder wird ein Land, das Europäern Jahrhunderte lang als Sehnsuchtsort galt. Wer aber ein Kind der Gegenwart ist und vor allem des (west‑)europäischen Wohlfahrtsstaates, kommt nicht um die Frage umhin, auf welcher Basis die USA immer noch eine Weltmacht sind – denn was der niederländische Publizist Geert Mak in Erfahrung bringt, sind viele Probleme und jede Menge politische Uneinsichtigkeit. So jedenfalls ist der Eindruck bei der Lektüre dieses herausragenden Buches, das viel mehr ist als eine Reisebeschreibung. Mak reiste 2010 auf der Route, die 1960 John Steinbeck mit seinem Hund Charly genommen hatte. Der berühmte Schriftsteller hatte im Alleingang erkunden wollen, wie Land und Leute „ticken“. Der Versuch, „Die Reise mit Charly“ mit der Gegenwart abzugleichen, entpuppt sich für Mak allerdings als erstaunlich unergiebig; Steinbeck hatte sich wohl einige dichterische Freiheiten eingeräumt und war weite Teile der Strecke nur durcheilt. Mak selbst aber nimmt sich Zeit, nicht nur bei der Reise selbst, sondern auch bei der Kontextualisierung des Gesehenen und Durchreisten. So sind neben Steinbeck auch Alexis de Tocqueville und Gustave de Beaumont literarisch‑historische Begleiter, außerdem schöpft Mak aus vielen anderen erhellenden Büchern über verschiedenste Themen. Die Fahrt durch die Bundesstaaten wird damit auch zu einer Reise durch die Geschichte, angefangen mit den halbsesshaften Indianern, die keineswegs Wilde waren, über die gewaltige Binnenmigration der Afroamerikaner aus dem Süden in den freien Norden bis hin zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der sich das Land neu formte: Das Fertighaus veränderte die Siedlungsstrukturen, Autos schluckten Unmengen an Benzin und der Staat entzog dem Schienenverkehr seine Unterstützung und ordnete damit beispielhaft das allgemeine Interesse dem der privaten Wirtschaft unter. Mak trifft auf Bürger, die heute gegen jede staatliche Einmischung in ihre Belange sind, auch wenn sie für diese Standhaftigkeit mit Armut und Krankheit bezahlen müssen. Geklammert wird sich an den Gedanken, dass das Streben nach dem Glück belohnt wird, womit auch immer. Vielleicht sind die Amerikaner selbst mit so etwas Ähnlichem befallen wie es Mak für die Außenpolitik der Regierung nahelegt – mit dem „‚dog and car syndrom‘: Ein Hund träumt ständig davon, den Autos hinterherzujagen, doch wenn er seine Zähne dann in die Stoßstange geschlagen hat, weiß er nicht, was er damit anstellen soll.“ (507) Und so scheinen sich Land und Bürger ziellos hinter dem Schlagwort der Freiheit verschanzt zu haben.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.642.22.222.232.262 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Geert Mak: Amerika! Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36040-amerika_44015, veröffentlicht am 08.08.2013. Buch-Nr.: 44015 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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