/ 03.12.2015
Michael Kimmel
Angry White Men. Die USA und ihre zornigen Männer. Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm
Zürich: Orell Füssli Verlag AG 2015; 351 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-280-05587-8Die deutsche Fassung des bereits Ende 2013 in den USA erschienenen „Angry White Men: American Masculinity at the End of an Era“ hat kein Aktualitätsproblem, berichtet der Autor darin doch „von keinem Wandel, der noch bevorsteht, sondern von einem, der schon fast gänzlich eingetreten ist“ (12). Dieser betrifft diejenigen US‑Amerikaner, die sich durch den gesellschaftlichen Wandel um ihre (Vor‑)Rechte als Weiße, als Männer betrogen fühlen. Michael Kimmel vertritt die These, dass der „Zorn der amerikanischen weißen Männer fehlgeleitet ist und sich gegen die falschen Objekte richtet, aber er ist keine blinde, irrationale Wut“ (28). Denn tatsächlich befinde sich die untere Mittelklasse der USA, die von rechten politischen Gruppen mobilisiert und manipuliert werde, seit Jahrzehnten im sozialen Abstieg. Der Autor beschreibt die Einstellungsmuster, die Vorurteile und die Gewaltbereitschaft dieser Bevölkerungsgruppe zwar durchweg schlüssig, aber begründet seine Aussagen kaum mit handfesten Daten; eher illustriert er sie mit Anekdoten und Beobachtungen aus Medien und eigenen Gesprächen. Kimmel ist kein Politikwissenschaftler, sondern Geschlechterforscher, bezeichnet sich selbst zudem als Aktivisten. In seiner Herangehens‑ und Schreibweise bei Fragen von Weltanschauung und politischen Einstellungen erinnert er dabei nicht selten an Michael Moore – etwa wenn er Sarah Palin als „beißend scharf und sexy, […] stark, aber ein bisschen nuttig“ (21) beschreibt. Wie Moore schreibt Kimmel wortgewandt und pointiert, aber oft auch paternalistisch und verallgemeinernd seinem Untersuchungsobjekt gegenüber. Letzteres sind mal „weiße Amerikaner“, dann wieder „amerikanische Männer“ oder „weiße amerikanische Männer“ – etwas mehr Präzision wäre wünschenswert gewesen in seinem Parforceritt, bei dem er jugendlichen Amokläufern, der Männer‑ und Väterrechtsbewegung, häuslicher Gewalt sowie dem Wandel der Arbeitswelt und den Geschlechterverhältnissen bis hin zur neuen Rechten in den USA begegnet. Mit Ausnahme der Letztgenannten ist nicht zu viel Einfluss hinsichtlich Wählerdemografie oder Ähnlichem zu erwarten; als häufigste Erklärung für die Lage der weißen zornigen Männer dient Kimmel die „neoliberale Wirtschaftspolitik“ (326) von Großkonzernen und Banken. Der (politische) Erkenntnisgewinn bleibt dabei, trotz aller Kurzweil bei der Lektüre, überschaubar.
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Rubrizierung: 2.64 | 2.23 | 2.25 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Michael Kimmel: Angry White Men. Zürich: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39161-angry-white-men_47683, veröffentlicht am 03.12.2015. Buch-Nr.: 47683 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA