China und die globalisierte Welt. Außenpolitik im Dienste der Modernisierung: Ansprüche und Friktionen
Die außenwirtschaftliche Zeitenwende fand für die Volksrepublik 2001 mit ihrem Beitritt zur WTO statt. Aber seitdem Xi Jinping 2012 die Macht als Parteichef und 2013 als Staatspräsident übernommen hat, verändert sich ihre Stellung auch außenpolitisch: Die zuvor fast eindimensionale Orientierung auf die eigene wirtschaftliche Entwicklung ist nicht mehr alleinige Richtschnur bei der Ausgestaltung der Beziehungen zu anderen Ländern. China positioniert sich vor allem im asiatisch-pazifischen Raum zunehmend auch sicherheitspolitisch. In verschiedenen Beiträgen zeigen wir innenpolitische Determinanten, die diesem politischen Kurswechsel vorausgehen, die Positionen der Führung in Beijing und ihre Initiativen, aber auch ihre Schwierigkeiten. Konkrete Beispiele für Kooperationen runden das Bild ab.
Erschienen am 27. Juni 2017, zuletzt aktualisiert am 22. Oktober 2020.
Die außenwirtschaftliche Zeitenwende fand für die Volksrepublik 2001 mit ihrem Beitritt zur Welthandelsorganisation statt. Aber seitdem Xi Jinping 2012 die Macht als Parteichef und 2013 als Staatspräsident übernommen hat, verändert sich ihre Stellung auch außenpolitisch: Die zuvor fast eindimensional zu nennende Orientierung auf die eigene wirtschaftliche Entwicklung ist nicht mehr alleinige Richtschnur bei der Ausgestaltung der Beziehungen zu anderen Ländern. China positioniert sich vor allem im asiatisch-pazifischen Raum zunehmend auch sicherheitspolitisch. In verschiedenen Beiträgen zeigen wir innenpolitische Determinanten, die diesem politischen Kurswechsel vorausgehen, die Positionen der Führung in Beijing und ihre Initiativen, aber auch ihre Schwierigkeiten. Konkrete Beispiele für Kooperationen runden das Bild ab, wobei dieser Themenschwerpunkt im Laufe der Zeit weiter ausgestaltet wird.
Zur Einführung stellen wir in einer Rezension das Buch „Chinesische Politik. Nationale und globale Dimensionen“ von Nele Noesselt vor, als Ergänzung und vor allem historische Rückbindung ist die Auswahlbibliografie über die „Geschichte der Gewalt“ gedacht, die über den Charakter der Volksrepublik Aufschluss gibt – verbunden mit den Hinweis, dass die allgemeinen Menschenrechte dort nicht anerkannt werden. In seinem Buch „Chinas leere Mitte“ geht Helwig Schmidt- Glintzer dennoch der Frage nach, ob das Reich der Mitte besser für die globale Moderne gerüstet ist als die meisten anderen Länder. Er verweist auf die Ideengeschichte und Erfahrungen aus mehreren Jahrtausenden, deren sinnvolle Nutzung allerdings durch die regierende Kommunistische Partei blockiert wird.
Ein Bericht über verschiedene Analysen der chinesischen Außenpolitik zeigt den chinesischen Traum von einer neuen Weltordnung, rezensiert wird zudem der Band „Sicherheit in Asien“, herausgegeben von Hanns Günther Hilpert und Christian Wagner. Eine Zusammenstellung verschiedener Analysen erhellt, worum es im Territorialstreit um das „asiatische Mittelmeer“ geht: Die Volksrepublik versucht im Südchinesischen Meer ihre Statusansprüche eigenmächtig durchzusetzen. Besteht damit eine „Kriegsgefahr im Pazifik?“. Michael Paul sieht zumindest dafür ein gewisses Potenzial, wie in einer Rezension nachzulesen ist – noch aber korreliert die Anspruchshaltung Chinas nicht mit seinem militärischen Potenzial, im Gegenteil: Wie Sarah Kirchberger in einem SIRIUS-Beitrag zeigt, sieht sich die Volksrepublik mit dem Ende einer Dreiecksbeziehung konfrontiert: Die wehrtechnische Zusammenarbeit mit Russland und der Ukraine ist im Schatten der Krim-Krise kollabiert. Die Frage, ob sich Russland und China dennoch auf dem Weg in eine strategische Partnerschaft befinden, wird in einem SIRIUS-Literaturbericht eher verneint (siehe den Themensschwerpunkt „Putins Russland“). Insgesamt weniger problembehaftet scheinen die Bemühungen Chinas zu sein, sich in der Arktis als Akteur zu positionieren. In seinem Beitrag „Gleiche Interessen, konkurrierende Politik?“ zeigt Johannes Mohr, dass sich die Erklärungen und Absichten dort kaum von denen der EU und Deutschlands unterscheiden.
Die Handelsbeziehungen mit den USA werden in dem Beitrag „Kommt es zur Konfrontation mit China? Donald Trump hat sich auf der Basis strittiger Annahmen positioniert“ im Rahmen des Themenschwerpunktes „Donald Trump und die Polarisierten Staaten von Amerika“ anhand von Kurzanalysen beleuchtet. Die (mutmaßlichen wie bereits sichtbaren) Auswirkungen der ersten Strafzölle der USA sind dort in dem Beitrag „Destruktiv statt disruptiv“ nachzulesen.
Ergänzt werden die Analysen einer zunehmend konflikthaften Außenpolitik um einen Literaturbericht von Falk Hartig über den „Kampf um die globale öffentliche Meinung“: Seit rund zehn Jahren unternimmt die Regierung in Beijing verschiedene Anstrengungen, um ihr Image zu verbessern, wobei das Engagement vom Betrieb von Kulturinstituten bis zur Beteiligung an ausländischen Medienunternehmen reicht. Der Einfluss Chinas, so der Eindruck, wächst. Die Frage, wie Europa darauf reagieren sollte, wird in der Rezension „Autoritärer Fortschritt“ problematisiert.
Den chinesisch-afrikanischen Beziehungen sind mehrere Beiträge gewidmet. Unter dem Titel „Ist der ‚Osten‘ für Afrika der bessere ‚Westen?“ stellt sich das Projekt „Afrikas asiatische Optionen – AFRASO“ (Goethe-Universität Frankfurt) vor. Die Wissenschaftler*innen erforschen seit 2013 die Interaktionen zwischen afrikanischen und asiatischen Akteuren. Ein Ergebnis ihrer Arbeit ist der Film „Small-scale Gold Mining: Chinese Operations in Cameroon”, in dem der Frage nachgegangen wird, ob das chinesische Engagement – wie erhofft und versprochen – zur Entwicklung in Kamerun beiträgt. Die Aktivitäten chinesischer Geschäftsleute in Afrika zeigt der Journalist Tom Burgis in seinem Buch „Der Fluch des Reichtums“, ergänzt wird die Rezension mit der Auswahlbibliografie „Neuer Partner des Südens“ über das Engagement der Volksrepublik in Afrika und Lateinamerika. Chinas Investitionen in die Neue Seidenstraße sind größtenteils in der islamischen Welt geplant, aber die chinesische Führung ist aus Sicht von Robert R. Bianchi auf diese ebenso wenig vorbereitet wie auf mögliche Rückkopplungseffekte in die chinesische Gesellschaft. Chinas Aufstieg zur Weltmacht wird auch in einem Digirama verdeutlicht. In diesem werden die Berichte, Studien und Analysen vorgestellt, die Einschätzungen über die wirtschaftliche und (außen)politische Entwicklung Chinas und deren Wahrnehmung in der westlichen Welt vermitteln.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden die deutsch-chinesischen Beziehungen, vorgestellt wird der einzigartige Rechtsstaatsdialog, in dem neben den Regierungen auch Universitäten sowie Richter und Rechtsanwälte eingebunden sind: Die Volksrepublik hat sich dem Gespräch darüber, was einen Rechtsstaat ausmacht, geöffnet. Auch die Huawei-Studie ist eine Besonderheit, werden doch die Einstellungen von Bürgerinnen und Bürgern aus beiden Ländern mit dem Anspruch, sich besser kennenzulernen, direkt nebeneinander gestellt.
Die Kontrolle der Gesellschaft gelinge in China nicht allein mithilfe von Repression, so Daniel C. Mattingly, vielmehr habe sich im Land eine echte Kunst der informellen, weitgehend gewaltlosen Kontrolle entwickelt. Dabei dienten lokale zivilgesellschaftliche Gruppen als versteckte, aber wirksame Instrumente der Infiltration, um Dissens zu unterdrücken und Politiken umzusetzen. Vor allem die Kooptation lokaler Eliten stelle laut Rezensent Rainer Lisowski ein Erfolgsmuster im Arsenal der informellen Kontrolle dar. So würden etwa auf dem Lande Familienclans von Kadern wohlmeinend gestimmt.
Zak Dychtwald stellt das junge China vor: Von den etwa 1,3 Milliarden Einwohnern sind 400 Millionen in oder nach dem Jahr 1990 geboren. Chinas Millennials übersteigen somit für sich genommen fünfmal die Einwohnerzahl der Bundesrepublik. Sie verändern sowohl ihr Land und als auch die Weltpolitik, während Leistungsdruck und gesellschaftliche Erwartungen auf ihnen lasten. Dychtwald beleuchtet daher Konsum, politische Einstellungen, Überzeugungen und Hoffnungen, Studium und Berufspläne sowie den Umgang mit Sexualität der jungen Chinesen.
Wie China westliche Demokratien unterwandert, zeigen Clive Hamilton und Mareike Ohlberg. Sie analysieren Chinas außenpolitische Erfolgsstrategie als „von der Peripherie zu den Zentren“ geprägt. Es kooperiere umfassend mit europäischen und US-amerikanischen Eliten, pflege freundschaftliche Kontakte zu Entscheidungsträgern auf lokaler Ebene und Städtepartnerschaften.
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Anmerkung: Dieser Text wurde ursprünglich von Natalie Wohlleben verfasst und wird seit Februar 2019 weiter von der Redaktion bearbeitet. Zuletzt aktualisiert am 22. Oktober 2020.
Außen- und Sicherheitspolitik
Aus den Medien
Ian Buruma
The Earthy Glories of Ancient China
The New York Review of Books / China File, 6. Mai 2017
Der renommierte Publizist bespricht in diesem Beitrag die Ausstellung „Age of Empires: Art of the Qin and Han Dynasties”, die im Metropolitan Museum of Art gezeigt wurde. Reflektiert wird das chinesische Selbstverständnis im Rückblick auf die Geschichte. Buruma hebt insbesondere den Kosmopolitismus der beiden vorgestellten historischen Dynastien hervor.
Aus der Annotierten Bibliografie
zum Überblick
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