Grundzüge einer neuen NATO-Strategie
Angesichts der fundamentalen Veränderungen in den vergangenen Jahren kommt die NATO nicht umhin, ihre strategischen Grundlagen an die Realitäten einer Welt anzupassen, in der es darum geht, sich auch auf reale Bedrohungen einzustellen. Karl-Heinz Kamp erklärt, warum die Verständigung auf neue Kernaufgaben aber kein einfaches Unterfangen ist.
Einer der wesentlichen Gründe für den Aufstieg der NATO zur erfolgreichsten Sicherheitsallianz in der neueren Geschichte ist ihre Fähigkeit, sich an veränderte politische Rahmenbedingungen anzupassen. Dazu gehört auch die lagegerechte Fortentwicklung ihrer strategischen Grundlagen. Anders als Wirtschaftsunternehmen, die ihre Marktstrategien ständig überprüfen, werden neue NATO-Strategien nur in großen Zeitabständen formuliert. Ganze sieben solcher in der NATO stets Strategische Konzepte genannten Dokumente hat es in der fast 70-jährigen Geschichte des Bündnisses gegeben: 1950, 1952, 1957, 1967, 19911, 19992 und zuletzt 20103. Die ersten vier Papiere hatten einen sehr starken militärischen Fokus, waren als geheim eingestuft und wurden vom militärischen „Arm“ der NATO, dem sogenannten Military Committee (MC), formuliert.4 Die drei nach dem Ende des Kalten Krieges erarbeiteten Strategien sind offen zugänglich und wurden vom politischen Teil der Allianz erarbeitet, hatten aber jeweils noch ein geheimes militärisches Zusatzdokument.
NATO-Strategien sind oft weniger in die Zukunft gerichtet als es scheint. Stattdessen halten sie schriftlich fest, was die Allianz in Reaktion auf konkrete Erfordernisse schon seit einiger Zeit praktiziert. So betonte das Strategische Konzept von 1999 die Notwendigkeit des Krisenmanagements, nachdem die NATO diese Aufgabe schon seit 1995 auf dem Balkan wahrgenommen hatte. Im Strategiepapier von 2010 wurde die kooperative Sicherheitsvorsorge durch Partnerschaften als eine der Kernfunktionen der Allianz definiert, nachdem bereits eine Vielzahl von Partnerschaften in Europa, mit den Mittelmeeranrainern oder den Golfstaaten initiiert worden war. NATO-Strategien sind damit immer auch zugleich Standortbestimmungen und Festschreibungen bewährter Praktiken.
Seit 2014 hat sich die Sicherheitslage in Europa erneut grundlegend gewandelt. Die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts zusammen mit Russland geschaffene europäische Friedensordnung existiert nicht mehr – sie wurde Opfer der russischen Aggression in Osteuropa, die in der Annexion der Krim gipfelte. Hoffnungen auf eine kooperative Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten wurden von Bürgerkriegen und islamistischer Gewalt dauerhaft zerstört. Die NATO reagierte nicht nur erstaunlich geschlossen auf diese Veränderungen, sondern handelte dabei auch gemeinsam mit der Europäischen Union. Beim NATO-Gipfeltreffen in Wales im September 2014 wurden erste Maßnahmen zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses beschlossen und knapp zwei Jahre später, im Juli 2016, auf dem Gipfel in Warschau fortentwickelt und den Bedrohungen im Osten wie im Süden angepasst.
Reichen diese Sofortmaßnahmen zur Erhöhung der militärischen Handlungsfähigkeit des Bündnisses aus oder bedarf es einer strategischen Grundsatzdebatte über die künftigen Aufgaben der Allianz? Braucht die NATO ein neues Strategisches Konzept und wenn ja, wie soll es formuliert werden und welche Elemente müsste es enthalten? Mit der Wahl des neuen amerikanischen Präsidenten Trump sind allerdings neue Unsicherheitsfaktoren hinzugekommen.
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Der vollständige Beitrag ist erschienen in Sirius – Zeitschrift für Strategische Analysen, Heft 1 / 2017: https://www.degruyter.com/view/j/sirius.2017.1.issue-1/issue-files/sirius.2017.1.issue-1.xml
Der direkte Link zum Beitrag: https://www.degruyter.com/downloadpdf/j/sirius.2017.1.issue-1/sirius-2017-0003/sirius-2017-0003.pdf
Außen- und Sicherheitspolitik
Rezension
{Bid=40436}Das Ende des Ersten Weltkrieges – des Großen Krieges – wird sich 2018 zum hundertsten Mal jähren. Für Herfried Münkler ist er „der Brutkasten, in dem fast alle Technologien, Strategien und Ideologien entwickelt wurden, die sich seitdem im Arsenal politischer Akteure befinden“. Im Blickpunkt dieses Bandes steht nun der Wandel von Krieg im 21. Jahrhundert – er ist komplexer, volatiler, gesellschaftszentrierter und informationsintensiver geworden. Krieg zu verstehen soll helfen, ihn zu vermeiden, erklärt Herausgeber Hans-Georg Ehrhart die Intention, die hinter den Beiträgen steht.
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