/ 22.06.2013

Semiramis Akbari
Religiöse Wissensgenerierung und Modernisierung. Wandel religiös-politischer Deutungsmuster im politischen Diskurs der Schia und Verschiebungen der inneren Machtbalance im postrevolutionären Iran
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2010 (Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung 8); 342 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8329-5598-4Diss. Frankfurt a. M.; Gutachter: H. Müller, L. Brock. – Akbari vertritt die Meinung, dass sich seit der Islamischen Revolution im Iran das westliche Verständnis von Demokratie „zur leeren Hülse entwickelt hat“ (20). Dem „westlichen Beobachter“ wirft sie vor, den Islam und die schiitische Geistlichkeit als „totalitär und antimodern“ zu betrachten. Der westliche Diskurs sehe eine „Gewaltherrschaft“ im Iran, was nach Meinung der Autorin auf einer „falsche[n] Schlussfolgerung“ (21) beruhe. Sie sieht das Problem einer Diktatur nicht und hebt auf „Demokratiediskurse“ ab. Sie geht von einer „demokratischen Neustrukturierung der staatlichen Institutionen“ aus, räumt jedoch ein, dass der Staat ein „Interpretationsmonopol der Religion“ (23) besitzt, das keine größeren Spielräume zulässt.
Die Autorin lehnt sich in ihrer Darstellung nicht nur an Foucault an, sondern bezieht sich auch positiv auf den Soziologen Shmuel N. Eisenstadt. Sie schreibt: „Eisenstadts theoretischer Ansatz eignet sich, um die ‚Vielfalt der Moderne’ auch für Iran hervorzuheben, wo sich konkurrierende Deutungen von Moderne und Religion gegenüberstehen.“ (48) Gleichzeitig kritisiert Akbari westliche Interpretationen, die Iran nicht erklären könnten. Die Islamische Revolution werde „im hegemonialen Diskurs des Westens als eine fundamentalistische Revolution, die sich gegen die Moderne richtete,“ verstanden. Sie sei jedoch „Ausdruck des kollektiven Willens der Bevölkerung“ (163). Eisenstadt verstand den islamischen Fundamentalismus jedoch als eine moderne Bewegung, die sich gegen die Moderne richtet. Er verglich den islamischen Fundamentalismus sogar mit nationalsozialistischen und kommunistischen Bewegungen. Daher sei hier ein Einspruch erlaubt, weil die Autorin nicht einerseits den westlichen Diskurs ablehnen, sich aber gleichzeitig darauf stützen kann. Ein politisches System kann eine Erscheinungsform der Moderne darstellen und trotzdem eine Diktatur sein. Akbari aber setzt auf die Reformierung der Islamischen Republik, auch wenn sie die Einengung des „Sagbarkeitsfeldes“ (168), des nicht verbotenen Wortes, im Iran erkennt.
Wahied Wahdat-Hagh (WWH)
Dr., Dipl.-Soziologe und Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 2.63 | 2.2 | 2.21 | 2.22 | 2.23 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Wahied Wahdat-Hagh, Rezension zu: Semiramis Akbari: Religiöse Wissensgenerierung und Modernisierung. Baden-Baden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33514-religioese-wissensgenerierung-und-modernisierung_40103, veröffentlicht am 30.03.2011.
Buch-Nr.: 40103
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Dr., Dipl.-Soziologe und Dipl.-Politologe.
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