Stephan Grigat (Hrsg.): Iran – Israel – Deutschland. Antisemitismus, Außenhandel und Atomprogramm
Die Verbindungen zwischen Iran, Israel und Deutschland lassen sich insbesondere an den Themen Antisemitismus und Atomprogramm made in Iran aufzeigen. Sie bilden die beiden Schwerpunkte des Sammelbandes. Mit Analysen beispielsweise zur außenpolitischen Aggressivität des iranischen Regimes und seinen nuklearen Bestrebungen, zum Anstieg antisemitischer Ressentiments und zu der Frage, ob der politische Islam als faschistisch zu bezeichnen ist, bieten die Autorinnen und Autoren eine wenig optimistische Charakterisierung der Islamischen Republik Iran.
Die Verbindungen zwischen Iran, Israel und Deutschland lassen sich insbesondere an den Themen Antisemitismus und Atomprogramm made in Iran aufzeigen. Sie bilden die beiden Schwerpunkte des Sammelbandes.
Roya Hakakian beginnt ihren Beitrag mit der Schilderung einer traumatischen Erfahrung, die die jüdische Gemeinde des Landes unmittelbar nach der islamischen Revolution machen musste – der Präsident der Jüdischen Gesellschaft Teherans, Habib Elghanian, wurde hingerichtet. „Sein Vergehen: Freundschaft mit den Feinden Gottes.“ (145) Die iranischen Islamisten meinten damit den Staat Israel. Die Autorin hebt hervor, dass sich der Industrielle Elghanian als zutiefst loyal und verwurzelt mit dem Iran gefühlt hatte. Er hatte Plastik in den heimischen Markt eingeführt und galt damit als einer der führenden Modernisierer des Landes. Zwei Rabbiner und vier junge jüdische Intellektuelle, die einen Sturz des Schahs befürwortet hatten, bildeten ein Ad-hoc-Komitee und besuchten unmittelbar nach der Hinrichtung Elghanians den Revolutionsführer Ajatollah Khomeini. Als Vertreter der jüdischen Gemeinde beteuerten sie, dass sie keine politischen Zionisten seien und ihre Heimat der Iran sei. Einer der Rabbiner habe hervorgehoben: „Wahre Juden sind jene, die teilhaben an den Wünschen der Gesellschaft, in der sie leben.“ (146) Ajatollah Khomeini habe letztlich erwidert, dass Moses mit den „Pharao-ähnlichen Zionisten, die Israel beherrschen“ (147), nichts zu tun habe.
Die Autorin gehörte als iranische Jüdin damals zu den jungen Links-Intellektuellen, die sich gleiche Rechte für Frauen und Juden und überhaupt für alle Iraner erhofften. Aber dieser Traum platzte schnell. Hakakian schreibt, dass sie zu Beginn der Revolution Antisemitismus nur aus Erzählungen gekannt habe. Ihr Vater habe ihr von einem Städtchen erzählt, in dem er gelebt hatte: „Wenn es dort regnete, mussten Juden zu Hause bleiben, weil Wassertropfen von ihnen hätten abperlen und muslimische Passanten ‚beschmutzen‘ können – Juden galten als unrein.“ (148) Hakakian hebt hervor, dass in den 1970er-Jahren mehr als 100.000 Juden im Iran lebten, heute seien es nicht mehr als 10.000. „Nach westlichen Maßstäben sind die iranischen Juden eine bedrohte Spezies.“ (149) Der Autorin zufolge haben über 90 Prozent der iranischen Juden Iran verlassen.
Hakakian plädiert dafür, das iranische Atomprogramm zunächst außer Acht zu lassen und mit einem Blick durch die Brille einer religiösen Minderheit zu versuchen, den Charakter der Islamischen Republik Iran zu erfassen, um den „modus operandi zu verstehen“ (150). Zu betonen sei, dass für ein Land, das offiziell die Existenz Israels durch den al-Quds-Tag infrage stelle, der Antisemitismus in der Gesellschaft gering sei. Einige Demonstranten hätten bei den Protesten des Jahres 2009 gerufen: „Weder Gaza noch Libanon. Ich gebe mein Leben nur für den Iran.“ (151) Dennoch gehe die fast 3000-jährige Geschichte der iranischen Juden in aller Stille zu Ende ginge: Khomeini, Ahmadinejad, Rafsanjani, Rohani und Khamenei hätten es nicht geschafft, Israel von der Landkarte zu tilgen, „ihre Revolution hat aber sicherlich die jüdische Gemeinde nahezu von der Karte des Iran gelöscht“ (155). Misogynie und der Hass auf Israel seien „elementare[r] Bestandteil der Ideologie der Herrschenden im Iran“ (158). Hakakian kommt zu dem Schluss, dass eine Opposition, die die Interessen der iranischen Juden vertritt und sich für die Religionsfreiheit und für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt, bislang in der Islamischen Republik Iran nicht geduldet wird und auch in Zukunft keine Chance hat.
Einen weiteren Beitrag, der die Aussage des Buches unterstreicht, hat Emily B. Landau verfasst. Einleitend schreibt sie, dass seit Beginn der 1990er-Jahre die israelischen Nachrichtendienste zu dem Schluss gekommen seien, dass die Islamische Republik parallel zu ihrem ambitionierten Atomprogramm „auch an einem militärischen Nuklearprogramm arbeitet“ (162). Um den nuklearen Fortschritt des Irans zu verlangsamen, habe Israel eigene Maßnahmen vorangetrieben: „Das bekannteste Element dieser Kampagne war der Computervirus Stuxnet im Jahr 2010, der den Betrieb von Irans Zentrifugen massiv störte.“ (163) Israel war stets bestrebt, die US-Amerikaner und die Europäer davon zu überzeugen, dass es eine „eindeutige militärische Komponente in Irans Atomprogramm gab“ (164). Der US-amerikanische Präsident Barack Obama hat in seiner ersten Amtszeit den Druck auf Iran erhöht und vergleichsweise scharfe Sanktionen im Jahr 2012 durchgesetzt, die „hauptsächlich aus Finanzsanktionen der USA, dem Ölembargo der EU und dem Abschneiden Irans zum SWIFT-Bankensystem bestanden.“ (166) Israel wurde im Nachhinein, erst im September 2013, von den geheimen Verhandlungen der USA mit Iran informiert. Seine Nachrichtendienste hatten dies wenige Monate davor schon erfahren. Es wurde deutlich, dass die USA „ein begrenztes iranisches Anreicherungsprogramm als Teil eines endgültigen Abkommens akzeptieren“ (167). Die Wissenschaftlerin, die Senior Research Fellow am Institute for National Security Studies ist, hebt hervor, dass Israel den Atomvertrag bemängelt, da dieser Iran ein Anreicherungsprogramm zugesteht, dieses legitimiert und dem Regime erlaubt, die Forschung und Entwicklung in dem Bereich fortzusetzen. Damit könnten Zentrifugen ab dem „elften Jahr des Abkommens zu tausenden installiert werden“ (170). Der Atomvertrag hat weder das iranische Atomprogramm noch „das Streben der iranischen Machthaber nach der Bombe“ (172) beendet. In der Zukunft wird es schwieriger, das iranische Regime zu stoppen, weil das Regime gefährliche Handlungsoptionen bekommen hat. Landau betont abschließend, dass das iranische Atomprogramm ein internationales Problem darstellt. Israel hat „keine andere Wahl, als sich in Zusammenarbeit mit anderen dieser Herausforderung zu stellen“ (173). Auch nach Einschätzung von Stephan Grigat, Herausgeber des Sammelbandes, kann der Atom-Deal nicht den Weg zur Bombe verhindern. Es geht nur noch darum, wie lange die iranischen Machthaber brauchen werden, um „Atomwaffen zu entwickeln“ (31).
In einem der weiteren Beiträge stellt Jörn Schulz fest, dass sich die außenpolitische Aggressivität des Irans „in den vergangenen Jahren immens gesteigert“ (62) hat. Daher wirft er die Frage auf, ob der politische Islam als „faschistisch“ (69) qualifiziert werden kann. Seiner Ansicht nach ist das iranische Regime als „islamisch-klerikalfaschistisch“ (73) zu bezeichnen. Gerhart Scheit problematisiert diesen Charakter der Islamischen Republik Iran vor dem Hintergrund der Erfahrung des Nationalsozialismus und erkennt die Gefahr, dass sich nationalsozialistische Morde wie in Auschwitz wiederholen könnten. In seiner Argumentation stützt er sich unter anderem auf Franz Neumann und Ernst Fraenkel. Gleichzeitig lehnt er die Regeln des Internationalen Strafgerichtshofes in Bezug auf Israel ab: Eine Weltinnenpolitik würde die Souveränität des Landes aufheben. „Denn Israels Souveränität bedeutet immer zugleich mehr als bloße Souveränität, so wie der Verlust der Unabhängigkeit hier Vernichtung bedeutet.“ (113)
Ulrike Marz analysiert den antisemitischen Hass der iranischen Islamisten auf den Westen und ordnet diesen als einen modernen Antimodernismus ein. Diese Extremisten „[sprechen] sowohl von Juden, von Zionisten und von Israel […], um die Vorstellung vom weltbeherrschenden Judentum zu bedienen“ (119). Flankiert werde diese Sicht von der Behauptung, dass Israel nicht infolge der millionenfachen Vernichtung von Juden gegründet worden sei, die wahre Absicht habe im „Aufbau eines imperialistischen Vorpostens in der islamischen Welt“ (132) bestanden.
Die Richtschnur dieses Bandes ist eindeutig pro-israelisch und die deutsche Politik wird in weiteren Beiträgen daran gemessen. Gerade deswegen lohnt es sich, die vielfältigen Argumente der Autorinnen und Autoren genauer zu lesen.
Außen- und Sicherheitspolitik
Weitere Literatur
Sven-Eric Fikenscher
Der Iran nach dem Atom-Deal. Eine bleibende strategische Bedrohung. Ein SIRIUS-Beitrag
Im Blickpunkt dieses Beitrags stehen die Chancen auf einen kooperationsorientierten Wandel der iranischen Außen- und Sicherheitspolitik im Zuge des Nukleardeals. Wie die nähere Analyse zeigt, enthält das Abkommen zwar weitgehende Beschränkungen der iranischen Nuklearaktivitäten, kann aber mitnichten eine strategische Neuausrichtung des Irans herbeiführen. Die Ideologie des iranischen Regimes, die Agenda und der Einfluss des Teheraner Sicherheitsapparates sowie die gesamte strategische Orientierung des Landes lassen eine unverminderte Aggressivität gegenüber den Vereinigten Staaten, Israel und einer wachsenden Zahl arabischer Staaten erkennen.
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Aus der Annotierten Bibliografie
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