/ 03.06.2013
Farah Dustdar
Abschied von der Macht
Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1996; 168 S.; 16,80 DM; ISBN 3-596-12886-2Im Sinne des von Hans Jonas formulierten "Prinzips Verantwortung" plädiert die Autorin für ein "Verantwortlichsein für die Sache" (12), das dann wirksam werden kann, wenn es gelingt, die persönliche Machtstellung der Politiker auf Sachfragen umzulenken. Die Machtausrichtung der vorherrschenden demokratischen Konzeptionen blockiert einen derartigen Wandel. Doch entwirft die Arbeit kein neues Demokratiemodell, sondern sucht nach Alternativen zur Machttheorie. "Nicht nur das angeborene ethische Defizit der Liberaldemokratie, sondern auch das Konkurrenzmodell der Macht gefährdet die offene Gesellschaft. Eine modifizierte Machtkonzeption und ein Paradigmenwechsel - von der Macht zur Verantwortung sowie entsprechende Strukturveränderungen - können der freiheitlichen Ordnung neue Chancen bieten." (7)
In einem historischen Überblick werden Bedeutungs- und Funktionswandel der Macht durch die Geschichte verfolgt. Auch wenn Liberalismus und Pluralismus, um die beiden Hauptschlagworte der Autorin zu verwenden, "die europäischen Nachkriegsruinen wiederaufgebaut und den Bürgern Wohlstand und Freiheit beschert" (14) haben, fällt es beiden Theorien zunehmend schwerer, den neuen gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht zu werden.
Der aus dieser Notwendigkeit heraus geforderte "Paradigmenwechsel von Macht zu Verantwortung basiert auf der Übertragung einer der Grundkategorien der Verwaltungsordnung der Baha'i-Gemeinschaft in die politische Theorie. Die eigennützige Macht wird in diesem Verwaltungsmodell kategorisch abgelehnt. [...] Die gewählten Volksvertreter bilden keine Elite, sie sind nur für die Erfüllung bestimmter Aufgaben verantwortlich" (14 f.). Abschließend formuliert die Autorin einige wenige perspektivische Schritte der Umsetzung, die jedoch im Vergleich zu ihrer Kritik an der Machtausrichtung der Politik eher bescheiden ausfallen.
Inhaltsübersicht: I. Einleitung; II. Die Funktion der Macht in Geschichte und Gegenwart; III. Konkurrenzkampf und seine Folgeprobleme; IV. Verantwortung als Strukturelement der Demokratie; V. Formwandel der Demokratie - vom Protest zum koordinierten Wettbewerb; VI. Perspektiven.
Christoph Emminghaus (cem)
Dr., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.2 | 2.21 | 5.4
Empfohlene Zitierweise: Christoph Emminghaus, Rezension zu: Farah Dustdar: Abschied von der Macht Frankfurt a. M.: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1460-abschied-von-der-macht_1655, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 1655
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Dr., Politikwissenschaftler.
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