/ 22.06.2013
Nicklas Baschek
Anfeindungen. Carl Schmitts "Begriff des Politischen" aus Perspektive der Systemtheorie Niklas Luhmanns
Darmstadt: Büchner-Verlag 2010; 102 S.; kart., 14,90 €; ISBN 978-3-941310-11-7Carl Schmitts und Niklas Luhmanns Texte werden von der Politikwissenschaft als klassisch geadelt. Indes handelt es sich dabei nicht um geliebte Referenzen. Wirft man Schmitt gemeinhin vor, sein Begriff des Politischen rede einer totalitären Politisierung aller Lebensbereiche das Wort, kritisiert man bei Luhmann, seine Theorie autopoietischer Systeme negiere die politischen Steuerungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Prozesse. Baschek stellt die beiden Theoretiker gegenüber. Er unterstreicht zunächst, inwiefern sie sich in ihrem differenztheoretischen Denken treffen und insofern auf homologe Weise von der Mainstream-Politikwissenschaft abgrenzen lassen. Das Erkenntnisinteresse der theorievergleichenden Arbeit liegt indes auf der Freund-Feind-Unterscheidung, die Schmitt zum spezifischen Unterschied des Politischen erhebt. Vor dem Hintergrund des systemtheoretischen Konstruktivismus Luhmanns und seinem Konzept des Beobachters entlarvt Baschek diese Unterscheidung als substanzialistisch. Schmitts Unterscheidung von Freund und Feind setzt theorieimmanent das Volk als eine mit sich selbst identische, naturwüchsige Entität voraus, so Bascheks These. Freund und Feind werden demnach nicht durch eine kontingente Entscheidung, wer Freund und wer Feind ist, konstituiert. Die politische Unterscheidung wird von Schmitt gerade nicht als performativ wirksame Differenzierung konzipiert, die jene Einheiten, die sie benennt, als solche erst erschafft. Nach Bascheks Interpretation wertet sie einen vorgängigen Unterschied zwischen Freund und Feind lediglich auf. Schmitts Begriff des Politischen zehre „von untergründigen Restbeständen substanzialistischer Ontologie“ (42), vor deren Hintergrund eine konstruktivistische Lesart, wie sie etwa von Chantal Mouffe vorgeschlagen wird, notwendig zerfalle. Obwohl sich die zitierten Textbelege aus Schmitts Verfassungslehre und dem Begriff des Politischen, mit denen Baschek seine These zu belegen versucht, auch anders lesen lassen – und zwar just im Sinne eines konstruktivistischen Dezisionismus, der die Freund-Feind-Unterscheidung an konkrete soziale Praktiken koppelt –, extrapoliert Baschek mit seinem Vergleich auf prägnante Weise zwei Begriffspaare, die die moderne politische Theorie(-bildung) strukturieren: Konstruktivismus und Differenz auf der einen, Realismus und Identität auf der anderen Seite. All jenen, die an der Schmitt‘schen Primatstellung des Politischen festhalten möchten, legt die Arbeit nahe, Kollektivität konsequent konstruktivistisch und differenztheoretisch zu denken.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 | 5.46
Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Nicklas Baschek: Anfeindungen. Darmstadt: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34879-anfeindungen_41927, veröffentlicht am 07.06.2012.
Buch-Nr.: 41927
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M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
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