/ 30.04.2015
Rüdiger Voigt (Hrsg.)
Ausnahmezustand. Carl Schmitts Lehre von der kommissarischen Diktatur
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Staatsverständnisse 57); 265 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8487-0465-1Die Reihe „Staatsverständnisse“ umfasst mittlerweile mehr als 70 Bände. In dieser langen Liste kommt nun auch Carl Schmitt zum Zuge, dessen staatsrechtliche Schriften zwar aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit den Praktiken des NS‑Regimes heute weitgehend verschmäht werden; der weiterhin aktuellen Bedeutung seiner Lehren zum politischen Ausnahmezustand tut dies aber keinerlei Abbruch, wie dieser Band zeigt. So weist bereits der Herausgeber einleitend darauf hin, dass gegenwärtig nicht nur der globale Terrorismus als Vorwand zum stetigen Außerkraftsetzen von Bürgerrechten dient. Auch im Rahmen der globalen Finanzkrise lassen sich „deutliche Tendenzen einer exekutivischen Politik“ (12) beobachten. Nach einer ideengeschichtlichen Verortung des Ausnahmezustands unter Rückgriff auf Machiavelli, Bodin und Hobbes (erster Teil) und einer detaillierten Darstellung von Theorie, Wirkung und Rezeption der Schmitt‘schen Lehren (zweiter Teil) liegt ein weiterer Schwerpunkt des Bandes folglich auch auf der Diskussion von Ausnahmezuständen in westlichen Demokratien. Im Hintergrund steht die Frage, ob die schon von Giorgio Agamben postulierte Hinwendung zum permanenten Ausnahmezustand als Kern einer zeitgenössischen Analyse taugt. Zwei Fallstudien zu Frankreich und Mexiko werden dabei ergänzt um zwei Beiträge, die sich mit der internationalen Dimension beschäftigen. Dass der permanente Ausnahmezustand vielleicht noch nicht das herrschende Paradigma der Politik ist, gleichsam aber zunehmend Eingang in ‚normale‘ demokratische Techniken des Regierens findet, zeigt Christian Kreuder‑Sonnen in seinem Beitrag zur Anti‑Terror‑Politik des UN‑Sicherheitsrates. Da gerade auf globaler Ebene institutionelle Kontrollvorkehrungen fehlten, sei zu beobachten, dass Ausnahmehandlungen hier wenig und selten effektiv Widerstand provozierten. Aus diesem Grunde entwickele sich „[i]lliberales und autoritäres Notstandsrecht von internationalen Organisationen […] zur Parallelordnung, die mit einer freiheitlich und zunehmend rechtstaatlich organisierten internationalen Ordnung koexistiert“ (180). In diesem Sinne ist Carl Schmitt aktueller denn je.
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Rubrizierung: 5.46 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Rüdiger Voigt (Hrsg.): Ausnahmezustand. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38347-ausnahmezustand_45104, veröffentlicht am 30.04.2015. Buch-Nr.: 45104 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA