/ 20.06.2013
Wolfgang Engler
Bürger, ohne Arbeit. Für eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft
Berlin: Aufbau-Verlag 2005; 416 S.; geb., 19,90 €; ISBN 3-351-02590-4„Was bleibt vom ‚Menschen’, wenn man die ‚Arbeit’ von ihm abzieht?“ (24) Engler, Professor für Kultursoziologie und Ästhetik an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin, richtet seine Frage an eine Gesellschaft, die die Erwerbsarbeit als Angelpunkt im Leben eines Menschen definiert – sie verleiht ihm sein wirtschaftliches Auskommen und bestimmt seine Identität. Was aber wird aus dem Menschen, für den es keinen Arbeitsplatz gibt? Was wird aus einer Gesellschaft, die ihren immer zahlreicheren nicht erwerbstätigen Mitgliedern die Teilhabe verwehrt, weil sie ohne Arbeit nicht als vollständig angesehen werden? Die Wahrung der Menschenwürde und der Erhalt des demokratischen Gemeinwesens sind die Maximen, an denen sich Engler orientiert. Leidenschaftlich plädiert er für einen Gegenentwurf zum „Plan der neokonservativen-neoliberalen Staatsreform“ (198), der den Menschen zum Untertan der kurzsichtigen Profitinteressen der Unternehmen macht, beherrscht von einer Doktrin der möglichst niedrigen Lohnkosten. Analysiert werden die konservative Politik und das Versagen der Sozialdemokratie, das die Ungleichheit fortschreibende Bildungssystem sowie wirtschaftliche Grundsätze wie der Zusammenhang von Lohnniveau und Binnennachfrage. Basis dieser Überlegungen ist das Menschenbild von Aristoteles und nicht die Marx’sche Kapitalismuskritik - man ist versucht, sie in dieser Analyse wiederfinden zu wollen, vergeblich. Engler entwirft keine neue Utopie, sondern spricht sich für ein neues kulturelles Modell aus. Dazu gehört ein aktiver Sozialstaat, der sich mit wachem Bürgersinn gegenseitig fördert. Die Zukunft der Bundesrepublik liege, so seine plausible Analyse, in einer Hochlohnpopulation sowie in einem unabhängigen Bürgereinkommen für alle nicht Erwerbstätigen. Engler spricht damit der Wirtschaft nicht ihre tragende Rolle im Leben des modernen Menschen ab. Aber er möchte sie auf die Bedürfnisse des Lebens politisch vereidigt sehen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.42
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Wolfgang Engler: Bürger, ohne Arbeit. Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/23331-buerger-ohne-arbeit_26755, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 26755
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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