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/ 22.06.2013
Andreas Heuer

Carl Schmitt: Die Dialektik der Moderne. Von der europäischen zur Welt-Moderne

Berlin: Duncker & Humblot 2010; 96 S.; 38,- €; ISBN 978-3-428-13310-9
Was bleibt von Carl Schmitts politischem Denken jenseits seiner unheilvollen Kontaminierungen – das ist eine der Fragen der (wieder) zunehmenden Rezeption Schmitts. Der Buchtitel lässt sich als Anspielung auf Horkheimers/Adornos „Dialektik“ verstehen, auf jene dunkle Seite der Aufklärung, die durch Positivismus – Liberalismus – Ökonomisierung alles einer Rationalisierung im Sinne von (kapitalistischer) Verwertung unterwirft. Sie betreffen letztendlich das Verhältnis von Politik und Religion in der Moderne, das auch beim „rechten“ Aufklärungskritiker Voegelin zentral und insofern Schmitts politischer Theologie nahe war. Von hier aus erschließt sich die Richtung einer Beantwortung der Frage: „Schmitts Denken kreist immer wieder um [...] (die) europäische Moderne. Diese europäische Moderne deutet er ganz spezifisch in Ablehnung zu einer sich entwickelnden [...]. Welt-Moderne“ im Sinne „einer Aufhebung des europäischen Ordnungsdenkens, das sich auf den modernen Staat und das europäische Völkerrecht [...] bezieht“ (12). Zu Recht hebt Heuer – gegen die häufig in der staatsrechtlichen Rezeption vertretene naive Auffassung – hervor, dass Schmitts Hinwendung zum Nationalsozialismus keinen Bruch, sondern gerade „eine konsequente Fortsetzung seiner politischen Grundüberzeugungen“ (89) war. Zugleich lasse sich mit Schmitts Eurozentrismus jedoch die eigene eurozentristische Beschränktheit erfassen: „Die gängigen Vorstellungen, die Schmitt negativ besetzt, besetzt man einfach umgekehrt: Menschenrechte, Demokratie und Fortschritt als Leitbilder eines aufgeklärten Denkens, das anderen Ländern den Weg in die Zukunft weist. Aus Schmitts Kritik an einem einseitigen Universalismus wird eine ebenso einseitige Befürwortung“. Denn der „Universalismus als eine mögliche Form eines politischen Imperialismus ist [...] eine Gefahr des politischen Denkens“, sodass die „Auflösung der europäischen Welt, die Schmitt beobachtet, [...] nicht nur als einseitige Degenerierung, sondern auch als Wiedergewinnung von Zivilisation gedeutet werden“ kann. So gelte es, „Staat und Vernunft als Reminiszenzen eines versteckten Monotheismus [...] in ihrer Pluralität wiederzuentdecken“ (90 f.) – Heuer bietet Lesenswertes, am Text exerziertes Gegen-Schmitt-mit-Schmitt-Denken.
Robert Chr. van Ooyen (RVO)
Dr., ORR, Hochschullehrer für Staats- und Gesellschaftswissenschaften, Fachhochschule des Bundes Lübeck; Lehrbeauftragter am OSI der FU Berlin sowie am Masterstudiengang "Politik und Verfassung" der TU Dresden.
Rubrizierung: 5.464.1 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Andreas Heuer: Carl Schmitt: Die Dialektik der Moderne. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32249-carl-schmitt-die-dialektik-der-moderne_38485, veröffentlicht am 20.05.2010. Buch-Nr.: 38485 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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