Gesundheit gilt gemeinhin als das höchste gesellschaftliche Gut, aber inwieweit wird gesundheitsbewusstes Verhalten vom sozialen Milieu beeinflusst? Die Autoren überprüfen gesellschaftliche Leitmilieus (traditionelle, Mainstream- und hedonistische Milieus) in Bezug auf ihre Haltung zur Gesundheit. Sie stellen erwartungsgemäß eine vertikale Differenzierung zwischen Ober-, Unter- und Mittelschicht, aber überraschenderweise auch eine soziokulturelle Differenzierung innerhalb der jeweiligen Gesellschaftsschichten fest. Wippermann et al. unterscheiden deshalb zwischen Menschen mit traditionellen Werten und Menschen mit modernem Lebensstil. Die Autoren folgern, dass milieuabhängige Unterschiede nicht nur in der unterschiedlichen Verfügbarkeit der Gesundheitsangebote, sondern in erster Linie in der unterschiedlichen Nachfrage begründet liegen – und sie kritisieren, dass dieser Umstand zumeist nur als ein Phänomen sozialer Ungleichheit wahrgenommen wird. Sie betonen nun, dass die für alle Versicherten gleichen Angebote der gesetzlichen Krankenversicherung nicht der Vielfalt der Bedürfnisse der Patienten entsprechen. Für Wippermann et al. verfehlt der vorherrschende Ansatz gleicher Angebote für alle Patienten damit sein Ziel. Statt für eine Strategie der gleichen Gesundheit plädieren die Autoren für gleiche Gesundheitschancen – nur wenn auf der Angebotsseite keine Differenzierung stattfinde, komme die soziale Ungleichheit zum Tragen: „Die Idee, (Chancen-, Teilhabe-) Gerechtigkeit durch Einheitlichkeit zu gewährleisten, ist vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlichen Entwicklung überholt.“ (22) Die Autoren sehen in einem individualisierten Gesundheitssystem, das ähnlich dem Bildungssystem eine Vielfalt an Wahlmöglichkeiten bereitstellt, den Weg zu einer besseren qualitativen Versorgung aller und damit eine Möglichkeit zur Verringerung sozial bedingter Ungleichheit im Gesundheitssystem.