Heinz Bude: Das Gefühl der Welt. Über die Macht von Stimmungen
Stimmungen schaffen Realitäten. Sie wirken sich auf unser Kaufverhalten aus, können wie im Jahr 2008 die Finanzmärkte erschüttern und beeinflussen das Abstimmungsverhalten, wie beispielsweise die Wahl Donald Trumps zum US-amerikanischen Präsidenten beweist. Heinz Bude zeigt, dass ihre Soziologie somit von grundlegender Bedeutung ist, will man makrogesellschaftliche Entwicklungen und Trends erklären.
Stimmungen schaffen Realitäten. Sie wirken sich auf unser Kaufverhalten aus, können wie im Jahr 2008 die Finanzmärkte erschüttern und beeinflussen das Abstimmungsverhalten, wie beispielsweise die Wahl Donald Trumps zum US-amerikanischen Präsidenten beweist. Stimmungen begegnen uns in den Medien, zum Beispiel in Talkshows oder auf der Straße, bei Protesten. Sie wirken sich demnach auf Individuen, Gruppen oder ganze Gesellschaften aus. Ihre Soziologie ist somit von grundlegender Bedeutung, will man makrogesellschaftliche Entwicklungen und Trends erklären.
Stimmungen bilden den „Grundton“ (22) des Erlebens von Objektivität, wie Heinz Bude, Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel, schreibt. Die individuelle Erfahrung wird durch die jeweilige Stimmung gefärbt. Ist man in einer Hochstimmung, fühlt sich zum „Bäume rausreißen“, erscheinen alle Probleme als lösbar und zahlreiche Chancen scheinen sich aufzutun. Wenn die Stimmung, beispielswiese durch einen Trauerfall, niedergeschlagen ist, nimmt man die Realität als bedrückend wahr. Diese individuellen Gefühlslagen werden durch die Lebensumstände geprägt. Zugleich können sie zu Stimmungen von gesellschaftlichen Gruppen aggregiert werden. So befürwortete ein Großteil der britischen Bevölkerung den Brexit, was wiederum auf eine weit verbreitete Stimmung der Europaablehnung zurückzuführen ist.
Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt. Im ersten Kapitel analysiert Bude die aktuelle globale gesellschaftliche, politische und soziologische Situation, vornehmlich in der westlichen Welt. Er zeigt auf, welche Stimmungen existieren und woher diese rühren. Dabei holt er zum Teil weit aus und versucht globale Zusammenhänge aufzuzeigen. Im zweiten Abschnitt wird Stimmung erklärt. Der aus dem 16. Jahrhundert stammende Begriff wurde zunächst in der Musik verwendet und im 18. Jahrhundert auf das „Verhältnis zwischen Mensch und Welt erweitert“ (33). Heute wird er genutzt, um nicht nur eine Summe „von leiblichen Zuständen“ (39) darzustellen, sondern man bezeichnet damit ein Gesamtgefühl. Dabei wird das Individuum nicht in die Beziehung zur Welt gebracht, sondern vielmehr in die Beziehung zu sich selbst. Vergleichbar sind Stimmungen mit Affekten. Affekte jedoch sind von kurzer Dauer und ihre Auslöser in der Regel offensichtlich. Stimmungen hingegen sind von langer Dauer und deren Ursprünge selten eindeutig zu benennen. Im dritten Kapitel beschäftigt sich Bude mit der Verbreitung von Stimmungen. Dies geschieht vor allem über Massenmedien, die skandalhungrigen unter ihnen tragen zur Verbreitung von extremen Stimmungsbildern bei. Mit dem Aufkommen der sozialen Medien hat sich die Verbreitung von Stimmungen zudem ungleich beschleunigt.
Die Kapitel vier bis sieben sind der Erforschung von unterschiedlichen Stimmungen gewidmet. Behandelt werden die Bereiche Konsumgesellschaft, Generationenverhältnis, Migration von Ausländern in eine bestehende Gesellschaft sowie das Rollenverständnis der Geschlechter. Bude geht dabei auf jeweils konkurrierende Gesellschaftsgruppen ein. Beim Generationenkonflikt beispielsweise wird die Stimmung zwischen Alt und Jung betrachtet, bei der Migrationsthematik wird die der Einwanderer denen der ansässigen Bevölkerung gegenübergestellt.
Im letzten Kapitel beschreibt Bude die Stimmung der zukünftigen Generation. Nach seiner Meinung verhalten sich „die Zukünftigen“ (121) umsichtig und verantwortungsvoll. Allerdings begegnen sie Begriffen wie Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Chancengleichheit skeptisch bis ablehnend. Die kommende Generation ist zuversichtlicher, abgeklärter und weniger offen für Ideologien und Heilsversprechen. Den Zugehörigen dieser Generation geht es um Selbstverwirklichung und Selbsterkenntnis. Maschinen übernehmen zunehmend körperliche Arbeiten, deshalb können sich die „Zukünftigen“ auf Kopfarbeit konzentrieren. Bude meint, eine weitgehende Vergeistigung festzustellen.
Die Monografie ist kein politikwissenschaftliches Buch im eigentlichen Sinne. Vielmehr werden zahlreiche politische Themen angerissen, eine vertiefende Betrachtung von politischen Aspekten oder gar die Formulierung von konkreten Handlungsempfehlungen findet nicht statt. Vielmehr handelt es sich um eine philosophische, in Teilen soziologische Bestandsanalyse der westlichen Welt. Bude nutzt in seiner Abhandlung oft ausufernde Sätze, die schwer nachvollziehbar sind. Weiterhin ist ein roter Faden des Buches nicht erkennbar, auch sind die einzelnen Kapitel wenig strukturiert. Den Gedankensprüngen kann kaum gefolgt werden. So werden teilweise verworrene und unkonkrete Beziehungen hergestellt, beispielsweise bringt Bude die Finanzkrise von 2008 in Verbindung mit der deutschen Pegida-Bewegung und dem Begriff der sogenannten Lügenpresse. Dabei wird nicht klar, worauf der Autor abzielt. Der Bezug zu Stimmungen taucht zwar immer wieder auf, bleibt aber diffus. Für die Politikwissenschaft stellt dieses Buch keinen Gewinn dar.
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