/ 04.06.2013
Michael Kleensang
Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei Ernst Ferdinand Klein. Einstellungen zu Naturrecht, Eigentum, Staat und Gesetzgebung in Preußen 1780-1810
Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann 1998 (IUS COMMUNE, Sonderhefte 108); XIV, 460 S.; Ln., 148,- DM; ISBN 3-465-02903-8Rechtswiss. Diss. Erlangen; Erstgutachter: G. Schiemann. - Klein, 1744 in Breslau geboren und 1810 in Berlin gestorben, gehörte zum Kreis jener Rechtsphilosophen, Juristen und Reformer, deren Denken und deren politisches Handeln sich im Spannungsfeld der intellektuellen Diskurse der Spätaufklärung, besonders um die Philosophie Kants, der Rezeption der Französischen Revolution und der praktischen Reformanforderungen in Preußen entfaltete. An der Abfassung des Allgemeinen Landrechts beteiligt, prominentes Mitglied der Berliner Aufklärung und der "Mittwochsgesellschaft", mit Kant, Wieland, Garve, Campe und anderen in Korrespondenz stehend, 1791 bis 1800 Ordinarius und Vorsteher der Juristenfakultät in Halle, und danach bis zu seinem Tod als einer der führenden Juristen Berlins an den Reformen nach 1806 mitwirkend, ist Klein ein herausragender Zeitzeuge für Theorie und Praxis der bürgerlichen Gesellschaft in vor-Hegelscher Zeit. Kleensang entwirft sein intellektuelles Porträt deshalb auch als Einordnung seines Denkens in die juristisch-politische Ideenwelt und die zeitgenössischen Debatten seiner Zeit (2). Das entspricht nicht nur dem Vorgehen Kleins insofern, als dieser in seinem Dialog "Freyheit und Eigentum" (1790) Positionen der Französischen Revolution mit solchen aus der preußischen Debatte konfrontierte, sondern läßt etwa auch seine strafrechtlichen Vorstellungen in Auseinandersetzung mit Feuerbach, seine Gesetzgebungslehre in Kontrast zu Schlosser oder seine Vorstellungen zur bürgerlichen Gesellschaft im Umfeld Wielands und der schottischen Aufklärung besonders plastisch werden. Nach Einleitung und Biographie werden im einzelnen behandelt: Kleins naturrechtliche Methode (61 ff.), seine Eigentumstheorie (81 ff.), seine gegenüber der Ständegesellschaft kritischen Vorstellungen zur "Sozialordnung der bürgerlichen Gesellschaft" (165 ff.), seine den Kameralismus überwindende rechtsstaatliche Gesetzgebungslehre (215 ff.) sowie seine Vorstellungen zur staatsrechtlichen und politischen Verfassung der bürgerlichen Gesellschaft (281 ff.). Insgesamt wird Klein als "Theoretiker der bürgerlichen Gesellschaft im Sinne des 19. Jahrhunderts" vorgestellt, dessen Schriften "eine bisher kaum zur Kenntnis genommene und auf den ersten Blick überraschende Kontinuität zwischen Reformvorstellungen aus der Zeit des Allgemeinen Landrechts und dem politischen Programm der eigentlichen 'Preußischen Reformzeit'" dokumentieren (163, 162). Das Buch bietet ein Leseerlebnis der besonderen Art: erstens ist es eine ebenso spannende wie aufschlußreiche Darstellung einer wichtigen Debatte auf dem Weg vom Absolutismus zum liberalen Rechtsstaat, zweitens verdient der in Leinen gebundene und in großzügiger Type als Sonderheft des "Ius Commune" gesetzte Band die Bezeichnung "Buch", und drittens beschließt Kleensang seine ebenso umfassende wie anregende historische Darstellung mit einer preußischen Utopie Kleins, in deren Zentrum der Satz steht: "Seit meinen Jünglingsjahren habe ich mich mit keinem Traume lieber beschäftiget, als mit dem Bilde eines Volks, welches in seiner bürgerlichen und moralischen Ausbildung so weit vorgeschritten wäre, daß es zur Erhaltung der innerlichen Ordnung keines andern Zwanges bedürfte, als der Furcht vor der Ausstoßung aus dieser Völkerschaft" (419).
Klaus Dicke (KD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.33
Empfohlene Zitierweise: Klaus Dicke, Rezension zu: Michael Kleensang: Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei Ernst Ferdinand Klein. Frankfurt a. M.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4052-das-konzept-der-buergerlichen-gesellschaft-bei-ernst-ferdinand-klein_5746, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 5746
Rezension drucken
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
CC-BY-NC-SA