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/ 22.06.2013
Christian Wöhst

Das Konzept der Neutralität im politischen Liberalismus. Potentiale einer umstrittenen Idee

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2011 (Europäische Hochschulschriften: Reihe XXXI, Politikwissenschaft 607); 153 S.; brosch., 27,80 €; ISBN 978-3-631-60808-1
Die Pluralität von Vorstellungen des guten Lebens hat die politische Philosophie vor neue Herausforderungen gestellt. Eine mögliche Lösung für das damit einhergehende Problem, wie ein Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften noch möglich sein soll, bietet die Theorie des politischen Liberalismus. Zentral innerhalb dieser Theorie ist das Konzept der ethischen Neutralität, demzufolge Fragen des guten Lebens dem privaten Bereich angehören und dem Staat somit über diese Inhalte keine Entscheidungsbefugnis zusteht. Der Autor untersucht dieses Konzept, indem er dessen Potenziale herausarbeitet. Nach einem knappen, aber hilfreichen Überblick zu unterschiedlichen Neutralitätsverständnissen stellt er anhand dreier prominenter Vertreter des politischen Liberalismus drei Ansätze von Neutralität auf verständliche Weise vor: Eine politisch konstruierte Neutralität bei John Rawls, eine moralisch fundierte Neutralität bei Charles Larmore und eine pragmatisch verordnete Neutralität bei Bruce Ackerman. In einem nächsten Schritt beschäftigt sich Wöhst mit zentralen Kritikpunkten an der Theorie des politischen Liberalismus und damit auch an den Konzepten der Neutralität. Hierzu gehört u. a. das Verhältnis zum „Pluralismus des Rechten“, die Beziehung zur Gemeinschaft und Fragen nach notwendigen Tugenden, nach der Neutralität von Sprache sowie nach der Rolle der Wahrheit in der Politik. Der Autor entkräftet dabei weitgehend unter Verweis auf die Schriften bekannter liberaler Vertreter wie z. B. Rainer Forst alle vorgebrachten Argumente. Am überzeugendsten ist für Wöhst das politisch konstruierte Neutralitätskonzept von Rawls, da dies am weitesten die Vorzüge der Flexibilität und Inklusivität biete sowie die Möglichkeit, ein Selbstbewusstsein bei den Bürgern hervorzurufen, wodurch auch ein politischer Gemeinsinn entstehen könne. Insgesamt kann man das Buch als eine lesenswerte Einführung in das Konzept der Neutralität verstehen. Die Entgegnungen auf die von anderen Autoren und Theorien vorgebrachten Kritiken gegen das Neutralitätskonzept dürften jedoch kaum alle überzeugen können. Ansonsten bietet das Buch ein gutes Beispiel dafür, wie weit sich die politische Philosophie von einer realistischen, damit jedoch nicht zwangsläufig unkritischen Betrachtung der Politik entfernt hat (vgl. dazu die Kritik an „idealen Theorien“ von Raymond Geuss, siehe Buch-Nr. 40468).
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.435.425.41 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Christian Wöhst: Das Konzept der Neutralität im politischen Liberalismus. Frankfurt a. M. u. a.: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/34814-das-konzept-der-neutralitaet-im-politischen-liberalismus_41854, veröffentlicht am 03.05.2012. Buch-Nr.: 41854 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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