/ 11.06.2013
Helen Endemann
Das Regierungssystem Finnlands. Die finnische Regierungsform von 1919 im Vergleich mit der Weimarer Reichsverfassung
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1999 (Europäische Hochschulschriften: Reihe II, Rechtswissenschaft 2649); 204 S.; brosch., 69,- DM; ISBN 3-631-34568-2Rechtswiss. Diss. Heidelberg; Gutachter: R. Mußgnug. - Die finnische "Regierungsform" (so heißt das zentrale Verfassungsdokument Finnlands) trat 1919 fast zeitgleich mit der Weimarer Reichsverfassung in Kraft. Trotz der - aus staatsrechtlicher Sicht - "in wesentlichen Punkten gleichen Ausgangssituation für die Regierungen der Republiken" (124) ging Weimar knapp 14 Jahre später zugrunde, während der Dualismus zwischen präsidialer und parlamentarischer Regierungsweise in Finnland bis heute funktioniert. Wo liegen im Vergleich zwischen Finnland und Weimar Schwächen und Stärken des dualistischen Systems?
Der weitaus überwiegende Teil des Bandes besteht aus einer ausführlichen Beschreibung des finnischen Regierungssystems und des Reformvorschlags von 1998, wie sie im Wesentlichen in den im Anhang abgedruckten Dokumenten niedergelegt sind. Eine Aufarbeitung in Form von Graphiken oder Schaubildern findet sich nicht. Neben den Gesetzestexten geht die Autorin auch immer wieder auf die von ihr intensiv ausgewertete finnischsprachige staatsrechtliche Literatur (32 der insgesamt 60 Einträge im Literaturverzeichnis; hierin liegt der große Beitrag des Bandes), historische Wurzeln sowie Entwicklungen in der Verfassungspraxis ein. Regelmäßig werden kurze Gegenüberstellungen zu den entsprechenden staatsrechtlichen Regelungen und politischen Konstellationen in der Weimarer Republik, seltener auch Vergleiche mit dem System des Grundgesetzes angestellt. Sehr knapp (drei Seiten) und kaum analytisch fällt der Vergleich mit Frankreichs V. Republik aus. Im wenig ausführlicheren abschließenden Vergleich mit Weimar konstatiert Endemann dem Dualismus weniger systemimmanente Instabilität als vielmehr eine "Verzögerung des parlamentarischen Lernprozesses" (129) und erkennt in Finnland heute eine deutliche Akzentverschiebung in Richtung parlamentarischer Regierungsweise. Als Begründungen für das Scheitern Weimars im Gegensatz zu Finnland bleiben dabei neben Aussagen wie "In der Weimarer Republik fehlte den Parteien die Zeit, [...] den Willen zur Übernahme politischer Verantwortung zu entwickeln" (128) nur der Verweis auf das große Gewicht der Persönlichkeit des Präsidenten und vor allem schlechtere politische und historische Rahmenbedingungen in Deutschland.
Inhalt: 1. Einführung: 1.1 Entscheidung für den Dualismus; 1.2 Die Grundsätze - § 2 Regierungsform. 2. Parlament und Regierung: 2.1 Das Parlament; 2.2 Das parlamentarische Prinzip; 2.3 Auflösung des Parlaments und Ausrufen von Neuwahlen; 2.4 Kontrolle der Regierung; 2.5 Die Gesetzgebung; 2.6 Die Außenpolitik; 2.7 Das Budgetrecht; 2.8 Die Verfassungsgesetzgebung; 2.9 Die Verfassungsaufsicht. 3. Präsident und Regierung: 3.1 Der Präsident; 3.2 Der Staatsrat; 3.3 Verschiebung des Gleichgewichts. 4. Dualismus in Frankreich, Weimar und Finnland: 4.1 Das Regierungssystem der V. Republik Frankreichs; 4.2 Das Scheitern der Weimarer Demokratie im Vergleich mit der finnischen Entwicklung. 5. Reform der Verfassung: 5.1 Der Vorschlag der Regierung Aho; 5.2 Das Projekt "Grundgesetz 2000". Anhang (Amtszeiten und Parteizugehörigkeit der Präsidenten und Ministerpräsidenten; amtliche Übersetzungen der Regierungsform von 1919 und der Parlamentsordnung; eigene Übersetzung der Regierungsvorlage HE 1/1998).
Andreas Beckmann (AB)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.61 | 2.21 | 2.311
Empfohlene Zitierweise: Andreas Beckmann, Rezension zu: Helen Endemann: Das Regierungssystem Finnlands. Frankfurt a. M. u. a.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/11107-das-regierungssystem-finnlands_13128, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 13128
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M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften, Bereich Politikwissenschaft, Universität Kiel.
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