/ 05.06.2013
Vamik D. Volkan
Das Versagen der Diplomatie. Zur Psychoanalyse nationaler, ethnischer und religiöser Konflikte. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anni Pott
Gießen: Psychosozial-Verlag 1999 (Bibliothek der Psychoanalyse); 279 S.; geb., 48,- DM; ISBN 3-932133-49-8Volkan, ein amerikanischer Psychoanalytiker türkischer Abstammung, will mit diesem Buch die Erkenntnisse der Psychoanalyse für die Politik - näherhin die Diplomatie - fruchtbar machen. Für dieses Unterfangen ist er doppelt gut ausgestattet: Zum einen bündelt dieses für den deutschen Buchmarkt neu geschriebene Buch Ergebnisse einer Vielzahl englischsprachiger Veröffentlichungen Volkans. Zum anderen verfügt er als Leiter des "Center for the Study of Mind and Human Interaction" über praktische Erfahrungen bei der Anwendung psychoanalytischer Erkenntnisse in Politikberatung und Konfliktanalyse. Im Zentrum der Darstellung stehen Identitätsbildungen von Großgruppen. Diese werden psychologisch und psychoanalytisch gedeutet, um in der Politikgestaltung angemessen berücksichtigt werden zu können. Volkan illustriert die theoretischen Aussagen über Großgruppen mit Beispielen wie etwa des Kosovo als eines serbischen Traumas, dem Zustand der Gesellschaft in Kuwait nach dem Krieg mit dem Irak oder dem Einfluss der Person Atatürks auf die Großgruppenidentität der Türkei. Um aus diesen Untersuchungen praktische Ratschläge für die Politik zu gewinnen, konzentriert sich der Autor auf Entscheidungsprozesse und Entscheidungsträger. Die psychoanalytische Perspektive soll dabei "mehr als nur den bewußten Motivationsfaktoren" Rechnung tragen: "Sie untersucht der Abwehr dienende Abänderungen früherer Erfahrungen, übereinandergelagerte persönliche Bedeutungen von Ereignissen, Kondensationen unbewußter Motivationen, Übertragungsverzerrungen und die Persönlichkeitsorganisation der Entscheidungsträger." (21) Diese Perspektive kann in einigen Fällen durchaus horizonterweiternd sein, was nicht zuletzt dadurch unterstrichen wird, dass in Volkans Institut eine Reihe ehemaliger Diplomaten mitarbeiten, um herauszufinden, wie sich irrationale Faktoren in internationalen Verhandlungen besser handhaben lassen.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 4.42 | 4.41 | 4.2
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Vamik D. Volkan: Das Versagen der Diplomatie. Gießen: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6959-das-versagen-der-diplomatie_9320, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 9320
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Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
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