/ 05.06.2013
Klaus Lichtblau
Das Zeitalter der Entzweiung. Studien zur politischen Ideengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
Berlin: Philo Verlagsgesellschaft 1999; 408 S.; brosch., 78,- DM; ISBN 3-8257-0124-7Das Buch geht der Frage nach dem Verständnis des Politischen nach, seiner Entwicklung, den historischen theoretischen Ausprägungen im Anschluß an die Französische Revolution und seinem Wandel im Zuge der erfolgenden Absage an das von linearem Fortschrittsglauben begleitete Projekt der Moderne. Die historische Bestandsaufnahme kulminiert in dem Versuch der Neubestimmung des Politischen heute, d. h. nach dem Scheitern des realsozialistischen Experiments, in Zeiten von (ökonomischer) Globalisierung und systemisch organisierten Gesellschaften sowie der festgestellten Krise der westlichen Parteiendemokratie. Solche "Erfindungen" des Politischen artikulier(t)en sich vornehmlich in sprachlicher Form, was den Autor dazu veranlaßte, das Verhältnis von Sprache und Politik zu beleuchten und schließlich die traditionelle politische Semantik einer Dekonstruktion zu unterziehen, um so einen unverstellten Blick auf die praktischen Folgen politischer Diskurse zu bekommen. Die sprachtheoretisch motivierte Diskursanalyse anhand der Gedanken von Ferdinand de Saussure liefert einen Leitgedanken der Untersuchung: die historische Bedingtheit politischer Diskurse, der aber, wie die folgenden Kapitel zeigen, etwas unvermittelt neben den konkreten Analysen steht. Im Mittelpunkt der Erörterungen stehen die unterschiedlichen Ansätze zu einer begrifflichen Bestimmung des Wesens der politischen Macht und die Auseinandersetzung mit dem für das 19. und 20. Jahrhundert charakteristischen Spannungsverhältnis zwischen Politik und Ökonomie, in dessen Rahmen ausführlicher auf die Marxsche Ökonomiekritik eingegangen wird. Schließlich unternimmt der Autor eine systematisch vergleichende Darstellung des Foucaultschen machttheoretischen Denkens und der Systemtheorie Luhmanns unter Herausmodellierung des jeweils zentralen Differenzschemas Inklusion/Exklusion. In der Zusammenführung macht- und differenztheoretischen Denkens folgt auf die Infragestellung des staatszentrierten Politikverständnisses die poststrukturalistische (Foucault) bzw. systemtheoretische (Luhmann) Antwort: In einem Netzwerk von Differenzen tritt an die Stelle des Paradigmas des Zweier-Antagonismus Kontingenz mit Macht als systemrationaler Selektion von Möglichkeiten.
Inhaltsübersicht: I. Dekonstruktion des Politischen; II. Die Krise der Macht; III. Der politische Gehalt der Marxschen Ökonomiekritik; IV. Die Aktualität des Forschungsprogramms einer "Genealogie der Moral"; V. Machtverhältnisse, Systemrationalität und Perspektiven der Dissidenz.
Dirk Märten (DM)
Rubrizierung: 5.1 | 5.33 | 5.45 | 5.42
Empfohlene Zitierweise: Dirk Märten, Rezension zu: Klaus Lichtblau: Das Zeitalter der Entzweiung. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8396-das-zeitalter-der-entzweiung_11075, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 11075
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