/ 05.09.2013
Zygmunt Bauman / David Lyon
Daten, Drohnen, Disziplin. Ein Gespräch über flüchtige Überwachung. Aus dem Englischen von Franz Jakubzik
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2013 (edition suhrkamp 2667); 205 S.; 16,- €; ISBN 978-3-518-12667-7Überwachung ist zentraler Bestandteil unserer Realität. So umfangreich sie auftritt, so vielseitig sind ihre Erscheinungen, die längst nicht mehr nur Kontrolle und Datensammlungen umfassen, sondern sich in den Subjekten selbst reproduzieren. David Lyon, Direktor des Surveillance Studies Centre an der kanadischen Queen’s University, spricht darüber mit dem bedeutenden Soziologen Zygmunt Bauman. Dessen Konzept der flüchtigen Moderne wird zum analytischen Ausgangspunkt von Beobachtungen, die von der neuen Bandbreite von Technologien über sich verändernde Machtstrukturen bis zu dadurch beeinflusster Subjektivität reichen. Technologie erzeuge so einerseits neue Dimensionen der unfassbaren Datensammlung, einen Zugang zur Welt also, der andererseits nicht zuletzt eine Abstraktion von jeder realen Situation bedinge – wie der automatisiert durchgeführte Bombenangriff oder die virtuelle Umarmung via Facebook. Während Überwachung in der soliden Moderne noch ein manifestes, repressives System dargestellt habe, werde sie nun immer flüchtiger, schleiche sich tiefer in den Alltag ein und verschleiere sich hinter vermeintlich freiwilligem Gebrauch. Gerade in dieser Verflüssigung liege ihr Potenzial zur Omnipräsenz. So habe sich das Foucault’sche Panoptikum nicht etwa nur in offensichtliche Räume der Beherrschung zurückgezogen (Kliniken, Gefängnisse etc.), sondern die Subjekte seien jetzt „dafür prädestiniert, ihre Überwachung selbst zu übernehmen und die Wachtürme des alten Panoptikums […] überflüssig zu machen“ (79). Diese Internalisierung der Überwachung folge der Logik des „Synoptikums“, als „eine Überwachung ohne Überwacher“ (91). Während sich im Inneren der Gesellschaft die Überwachung also immer weicher vollziehe, nehme sie an den Rändern die Form des „Bannoptikums“ an – mit der Aussonderung vermeintlich unbrauchbarer Bevölkerungsgruppen. Dass all diese Phänomene untrennbar von technologischer Entwicklung abhingen, stelle vor allem die Soziologie vor die Herausforderung, eben diesen Zusammenhang adäquat zu begreifen. Wie sähe also eine Gesellschaftstheorie aus, die Facebook als Dimension der Sozialbeziehung reflektiert? Und wie endgültig müsste die Technikskepsis in der Analyse ausfallen? Ließe sich diese „auf die Tonart des Sorgens umstimmen“ (122)? Nicht zuletzt stehen mit der allumfassenden digitalen Überwachung auch die Fragen nach der Zukunft zur Debatte. Die zuweilen dystopische Analyse wollen Lyon und Bauman aber nicht als Schicksal anerkennen. Auch wenn es nur wenig Spielraum für aktive Veränderung gibt, haben wir schließlich „nur dann keine Chance, wenn […] wir glauben, daß es so ist“ (175).
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.42 | 2.263 | 2.22 | 5.44
Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Zygmunt Bauman / David Lyon: Daten, Drohnen, Disziplin. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36149-daten-drohnen-disziplin_44210, veröffentlicht am 05.09.2013.
Buch-Nr.: 44210
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B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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