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/ 17.04.2014
Ulrike Davy / Manuela Lenzen (Hrsg.)

Demokratie morgen. Überlegungen aus Wissenschaft und Politik

Bielefeld: transcript Verlag 2013 (Edition Politik ); 112 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-8376-2387-1
Spätestens seit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Regime in Europa und angesichts der neoliberalen Globalisierungsprozesse lässt sich eine (auf den ersten Blick) paradoxe Entwicklung beobachten: Während sich einerseits so viele Staaten wie nie zuvor zur Demokratie bekennen, wächst andererseits die Zahl der Stimmen, die an der Zukunftsfähigkeit der Demokratie nach westlichem Muster zweifeln. Auf den zweiten Blick scheint diese Entwicklung weniger paradox zu sein – ist es doch vor allem die globalisierungs‑ und marktkonforme Institution der parlamentarischen Demokratie, die zunehmend Verbreitung findet (Hauke Brunkhorst spricht in seinem Beitrag von der Verwandlung von „state embedded markets“ in „market embedded states“ ([51]). Diese aber entzieht vor dem Hintergrund von Wirtschaftslobbyismus und technokratischen Expertenkommissionen zugleich immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens der politischen Einflussnahme und demokratischen Partizipation. Kann die parlamentarische Demokratie also angesichts veränderter ökonomischer und politischer Konstellationen überhaupt noch demokratisch sein oder hat sie ihren Zenit bereits überschritten? Letzteres scheint auch für die Autorinnen und Autoren des Bandes nicht ausgeschlossen; dennoch lohnt es sich in ihren Augen zu fragen, ob und wie die Demokratie reformiert werden kann, um den gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart gewachsen zu sein. Sechs hochrangige Autoren aus Wissenschaft und Politik nehmen sich in fünf Beiträgen diesen Fragen an. Während Julian Nida‑Rümelin die Überlegenheit von Konsens‑ gegenüber Mehrheitsentscheidungen ins Blickfeld rückt, verweist Horst Dreier auf die Notwendigkeit von Formen direkter Demokratie auch auf Bundesebene und zeigt, dass die rechtlichen Möglichkeiten diesbezüglich durchaus vorhanden sind, aber nicht ausgeschöpft werden. Brunkhorst schlägt in eine ähnliche Kerbe, wenn er argumentiert, dass Europa durchaus demokratische Qualitäten vorweisen kann, die aber aufgrund öffentlicher Delegitimierungsprozesse kaum wahrgenommen und noch weniger umgesetzt werden. Alles in allem problematisieren die Beiträge stärker als dass sie Auswege und Zukunftsoptionen zur Diskussion stellen; die Ausgangsfrage des Bandes wird somit eher implizit als explizit beantwortet: Formelle Partizipationsmöglichkeiten alleine genügten nicht (und müssten trotzdem couragiert gegenüber der Macht der Märkte verteidigt werden) – vielmehr könne Demokratie „nur funktionieren, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich angesprochen und verantwortlich fühlt“ (Davy/Lenzen, 14). Dies aber erfordere die Fähigkeit der Politik, mit dem Willen und dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger umzugehen.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23.12.222.635.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Ulrike Davy / Manuela Lenzen (Hrsg.): Demokratie morgen. Bielefeld: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36974-demokratie-morgen_44132, veröffentlicht am 17.04.2014. Buch-Nr.: 44132 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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