/ 16.10.2014
Judith N. Shklar
Der Liberalismus der Furcht. Hrsg. und aus dem Amerikanischen übersetzt von Hannes Bajohr
Berlin: Matthes & Seitz 2013; 175 S.; 14,80 €; ISBN 978-3-88221-979-1Übersetzungen und Auseinandersetzungen mit den Arbeiten der nordamerikanischen Politikwissenschaftlerin Judith Nisse Shklar sind im deutschsprachigen Raum überschaubar. Insofern bietet der Band doppelt Abhilfe: einerseits durch die erstmalige Übertragung ihres wohl bekanntesten Textes, „Der Liberalismus der Furcht“, ins Deutsche und andererseits aufgrund der Essays von Michael Walzer, Seyla Benhabib und Bernard Williams. Das Buch dient vorzüglich als erste Anlaufstelle für all diejenigen, die sich mit dem Denken dieser politischen Theoretikerin auseinandersetzen wollen. Der Liberalismus Shklars ist nicht auf Systematik und Letztbegründung angelegt; er basiert auf den elementaren Grundsätzen einer liberalen Gesellschaft. Er ist politisch, nicht metaphysisch, um es mit John Rawls zu sagen. Im Mittelpunkt steht der Schutz der Schwachen und Wehrlosen. Dem Liberalismus obliegt es, die politischen Bedingungen bereitzustellen, die notwendig sind, damit jeder Mensch „ohne Furcht und Vorurteil” (26) so frei als nur irgend möglich handeln kann, ohne die Freiheit der anderen zu beeinträchtigen. Trotz aller Mängel ist es der demokratische Verfassungsstaat, der dies zu leisten vermag, weil er die staatliche Macht begrenzt und folglich auch die von ihm ausgehende Grausamkeit als schlimmstes aller Übel verhindern kann. Diese Freiheit von Furcht und Grausamkeit bezieht sich nicht nur auf den politischen, sondern auch auf den ökonomischen Bereich einer Gesellschaft. Die Furcht um den Verlust des Arbeitsplatzes erzwingt – und hier entwickelt sich Shklar zur Sozialdemokratin – den Eingriff des Staates in die Austauschprozesse des Marktes. Das spiegelt sich gleichfalls in der ungewöhnlich marginalen Rolle wider, die das Eigentum nach Verständnis der liberalen Denkerin für die Freiheit des Individuums spielt. Ihrem Verständnis nach hat sich der Liberalismus folglich auch nicht im Konflikt des im Niedergang begriffenen Ancien Régime mit der aufstrebenden Bourgeoisie entwickelt, sondern hat seinen Ursprung im Kampf um Toleranz während der Zeit der Religionskriege.
Patrick Stellbrink (PS)
M. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 5.43 | 5.42 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Judith N. Shklar: Der Liberalismus der Furcht. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37666-der-liberalismus-der-furcht_44690, veröffentlicht am 16.10.2014. Buch-Nr.: 44690 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenM. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
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