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/ 20.06.2013
Matthias Waechter

Der Mythos des Gaullismus. Heldenkult, Geschichtspolitik und Ideologie 1940 bis 1958

Göttingen: Wallstein Verlag 2006 (Moderne Zeit XIV); 508 S.; geb., 46,- €; ISBN 978-3-8353-0023-1
Habilitationsschrift Freiburg. – „Der schillernde Begriff des Gaullismus ist einer der Schlüsseltermini der französischen politischen Kultur des 20. Jahrhunderts“, schreibt Waechter, Programmdirektor am Institut Européen des Hautes Etudes Internationales in Nizza, und zeigt, wie aus einer 1940 gegründeten Widerstandsbewegung eine Ideologie im Sinne eines umfassenden Konzepts zur Lösung politisch-sozialer Grundprobleme wurde. Besonders bemerkenswert ist, dass der damit einhergehende Heldenkult in einer demokratisch-republikanisch geprägten Gesellschaft gepflegt wurde. In seiner Interpretation des Gaullismus als politischer Mythos geht Waechter chronologisch vor. Berücksichtigt werden die einzelnen Elemente in ihren zeitgebundenen Veränderungen, ihre politisch-sozialen Funktionen und Vermittler. Begonnen habe es damit, dass die Widerstandsbewegung einen politischen Führer als Ersatz für Pétain habe präsentieren wollen, so der Autor. Der dafür ausgewählte de Gaulle habe deshalb schon 1940 im Namen Frankreichs gesprochen. Um ihn sei ein Personenkult etabliert worden, der den General „als die Vergegenwärtigung, die Reinkarnation verschiedener Heldengestalten der französischen Geschichte feierte“ (66). Über eine erfolgreiche Geschichtspolitik sei ein Bonus an Legitimität angestrebt worden. Die Vorstellung, es gäbe nur „ein Frankreich“, habe allerdings in der Nachkriegszeit de Gaulle vorläufig politisch scheitern lassen. In einer von Parteien geprägten demokratischen Gesellschaft sei für ihn keine übergeordnete Stellung möglich gewesen, seine Wahl 1958 zum Staatspräsidenten sei vielfach als „kalter Staatsstreich“ gegeißelt worden. Durch eine Verfassungsänderung im Sinne des Generals sei das politische System zur Fünften Republik geworden – verfestigt durch die Amtsführung des sozialistischen Präsidenten Mitterrand. Der Gaullismus, der sich nun vorrangig als antikommunistische Kraft definiert habe, sei schließlich 1976 unter Jacques Chirac als neu organisierte „Rassemblement pour la République“ zu dem mutiert, „was er nie hatte sein wollen: einer Partei“ (419).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.612.12.232.242.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Matthias Waechter: Der Mythos des Gaullismus. Göttingen: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/25827-der-mythos-des-gaullismus_29986, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 29986 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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