Mit diesem kleinen Heftchen wird eine neue Reihe eingeleitet, und es ist nur stimmig, dass als Erster der einstige enge Weggefährte, Vertraute, Mit-Stratege und Minister von Willy Brandt zu Wort kommt. Bahr sieht drei Phänomene, die es zu diskutieren gilt; "die wachsende Globalität, die Qualität des europäischen Zusammenschlusses und schließlich die Rolle des Nationalstaates" (7). Bei Ersterem sieht er das Problem, dass dem global agierenden Kapitalismus "die Gegenmacht [fehlt], sei es durch Regierungen, sei es durch Gewerkschaften" (11). Mithin müssen an der UNO orientierte Regeln geschaffen werden, die eine solche Gegenmacht ersetzen können. Für Europa sieht Bahr im Nationalstaat unverändert die Basis der Selbstbestimmung der Völker (20). Die EU müsse an den drei Problemen ihres inneren Wertekonsenses, ihrer institutionellen Reformen und ihrer internationalen Handlungsfähigkeit (23) arbeiten. Die Überwindung des Demokratiedefizits sei nur über die Nationalstaaten möglich (31), während die "Emanzipation von Amerika" (37) den Europäern eine sicherheitspolitische Identität geben kann. Als Letztes wendet Bahr sich dem Nationalstaat als "solidarische Gesellschaft von Staatsbürgern" (40) zu, die nicht völkisch definiert ist, aber auch über einen bloßen Verfassungspatriotismus hinausgeht. Die aus der Teilung erwachsenden Probleme sind nicht gelöst: "Die Deutschen söhnen sich bisher leichter mit ihren Nachbarn aus als mit sich selbst." (47) Als eine Maßnahme zur Legitimations- und Identitätsstiftung verlangt Bahr eine Volksabstimmung über das Grundgesetz (52). Mit einem Brandt-Zitat hatte die kleine Broschüre begonnen, mit einem Brandt-Zitat endet sie. Aber der Inhalt ist unverwechselbar von Bahr.