/ 18.06.2013
Karl Wilhelm Fricke / Roger Engelmann
Der "Tag X" und die Staatssicherheit. 17. Juni 1953. Reaktionen und Konsequenzen im DDR-Machtapparat
Bremen: Edition Temmen 2003 (Analysen und Dokumente); 347 S.; hardc., 17,90 €; ISBN 3-86108-386-8Das Unvermögen des Ministeriums für Staatssicherheit, den Volksaufstand am 17. Juni 1953 vorauszuahnen sowie die propagandistische und juristische Aufarbeitung des Aufstandes in der DDR stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Nachdem sie einen kenntnisreichen Überblick über die Literatur zum 17. Juni gegeben haben, berichten die Autoren zuerst über die Vorgeschichte des Aufstandes. Sie zeigen sehr deutlich, dass die Stasi nur das wahrnahm und berichtete, was von der SED politisch gewollt war. Während des Aufstandes habe die Stasi mit Kommunikationsproblemen gekämpft, die Bezirksverwaltungen seien auf sich gestellt gewesen. Die Legende, dass es sich beim Aufstand um einen vom Westen aus gesteuerten „Tag X" mit dem Ziel der Wiedervereinigung gehandelt habe, sei bereits am Nachmittag des 17. Juni verbreitet worden. Die Autoren beschreiben ausführlich die Versuche der Stasi, diese Legende wider besseres Wissen zu belegen. Erstaunlich sei, dass an dieser Behauptung selbst in internen Akten festgehalten worden sei. Anhand konkreter Zahlen sei aber zu belegen, dass sich nur eine geringe Zahl von Westberlinern am Aufstand beteiligte. Jedes Eingeständnis, dass die Bewohner der DDR ohne Einfluss von außen gegen die SED protestiert hatten, hätte dem Regime jegliche Legitimation entzogen. In Schauprozessen und Parteisäuberungen, denen auch der Stasi-Chef Zaisser und Justizminister Fechner zum Opfer fielen, habe das Regime die Legende vom „Tag X" aufrechterhalten. Die Autoren verweisen außerdem auf politisch motivierte Prozesse, die noch im Juni 1955 zu Todesurteilen führten. Der Volksaufstand sei ein schweres Trauma für die SED und die Stasi gewesen, als Konsequenz sei das MfS immer weiter ausgebaut worden. Die Wende von 1989 habe es aber ebenso wenig vorausgesehen. Wieder fehlten die politischen Vorgaben, „die ‚Tschekisten' durften jedenfalls nicht klüger sein als die Partei" (238).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Karl Wilhelm Fricke / Roger Engelmann: Der "Tag X" und die Staatssicherheit. Bremen: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/19352-der-tag-x-und-die-staatssicherheit_22492, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 22492
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