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/ 04.05.2016
Ellen Meiksins Wood

Der Ursprung des Kapitalismus. Eine Spurensuche. Aus dem Englischen von Harald Etzbach

Hamburg: LAIKA Verlag 2015 (Ausgewählte Werke I); 231 S.; 28,- €; ISBN 978-3-942281-67-6
Nach Beobachtung von Ellen Meiksins Wood leiden die meisten analytischen Zugänge zum Kapitalismus unter dem problematischen Zirkelschluss, dass sie „voraussetzen, was sie beweisen sollen“ (16). Der Kapitalismus ist dann immer schon die nur moderne Ausprägung einer natürlich menschlichen Neigung zum Tausch. Dieser Kurzschluss scheint kulturell tief eingeschrieben zu sein, Ellen Meiksins Wood unternimmt deshalb eine Spurensuche zu einer alternativen Geschichte des Kapitalismus, um diese Naturalisierungstendenz konsequent selbst zu historisieren. Dabei stellt sie dieser Tendenz den Ursprung des Kapitalismus entgegen. Der Archetyp der Naturalisierung ist demnach das Kommerzialisierungsmodell, das den Kapitalismus als eben jenen qualitativen Fortschritt der Smith’schen Handels‑ und Profitaffinität des Menschen deutet, die im Abbau von Handelshindernissen zu immer größerer Blüte kommt. Trotz der weitverbreiteten Abkehr von einem so einfachen Modell sieht Meiksins Wood die grundlegenden Prämissen in zeitgenössischen Konzeptionen fortbestehen, deren Spannweite von demografischen Modellen bis zur Weltsystemtheorie und nicht zuletzt eurozentrismuskritischen Analysen reicht. Selbst marxistische Perspektiven, die sich dezidiert der Kritik solcher Ansätze widmen, bekommen die Spezifik der kapitalistischen Vergesellschaftung selten genug in den Blick, wie an einschlägigen Theoriedebatten der vergangenen Jahrzehnte gezeigt wird. Nichtsdestotrotz ist Marx’ Analyse des Kapitals sowie der sogenannten ursprünglichen Akkumulation der Grundstein für eine Theorie des Anfangs (und somit des Endes) des Kapitalismus und damit der entscheidende Bruch mit dem Kommerzialisierungsmodell. Diese Analyse dient denn auch als Ausgangspunkt für Meiksins Woods eigenen Versuch einer systematischen Entkoppelung bestimmter Bedeutungszusammenhänge, namentlich zwischen der Vorstellung von bürgerlich oder modern und kapitalistisch sowie zwischen dem Phänomen der Städte und ihrer Bedeutung als bloße Ausprägung von Handelsbedingungen. So ist beispielsweise eine der wichtigsten Einsichten, „dass der Kapitalismus […] nicht in der Stadt, sondern auf dem Land geboren wurde“ und zwar als „eine vollständige Transformation der allergrundlegendsten menschlichen Beziehungen und Praktiken“ (113) hin zu marktförmiger Organisation. An den Beispielen des englischen Agrarkapitalismus und seiner Entwicklung zur industriellen Form, den Transformationen des Kolonialismus zum Imperialismus oder der nationalstaatlichen Verquickungen lotet sie so die Spezifik des Kapitalismus in dessen Ursprung aus, denn für sie hat dieser „das entscheidende Geheimnis des Kapitalismus offenbart“ (222).
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Rubrizierung: 5.465.12.2 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Ellen Meiksins Wood: Der Ursprung des Kapitalismus. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39648-der-ursprung-des-kapitalismus_47517, veröffentlicht am 04.05.2016. Buch-Nr.: 47517 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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