/ 17.06.2013
Peter Unruh
Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes. Eine verfassungstheoretische Rekonstruktion
Tübingen: Mohr Siebeck 2002 (Jus publicum 82); XXVI, 680 S.; Ln., 109,- €; ISBN 3-16-147696-4Rechtswiss. Habilitationsschrift Göttingen; Gutachter: F. J. Peine, C. Starck, W. Heun. - "Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes ist das Resultat einer evolutionären verfassungstheoretischen Entwicklung. Aus diesem Grund ist die für das Grundgesetz maßgebliche verfassungshistorische Entwicklung des demokratischen Verfassungsstaates nachzuzeichnen. Denn das Grundgesetz kann als spezifische - d. h. als mögliche, nicht einzig legitime - Ausprägung des verfassungstheoretischen Typus 'demokratischer Verfassungsstaat' aufgefasst werden" (1). Diese Annahme steht am Anfang der Rekonstruktion einer verfassungstheoretischen Entwicklung, welche sich bis zur Amerikanischen und Französischen Revolution zurückverfolgen lässt und die den Kern der Arbeit ausmacht. Laut Unruh soll gezeigt werden, "dass es möglich ist, den Verfassungsbegriff des Grundgesetzes mit Hilfe einer Reihe von Begriffselementen adäquat zu umschreiben" (1). Weiter schreibt er: "Die ideengeschichtliche und verfassungstheoretische Grundlage dieses Verfassungsbegriffs ist die allgemeine Vorstellung von der menschlichen Autonomie. Aus diesem Gedanken der Selbstbestimmung der Freien und Gleichen leiten sich die einzelnen Verfassungsbegriffselemente ab, die sich aus heuristischen Gründen in zwei funktionell ausdifferenzierte Gruppen unterteilen lassen: die Strukturelemente, die den Geltungsgrund, die Geltungsweise und die Form der Verfassung betreffen, sowie die materialen Begriffselemente, die konkrete inhaltliche Festsetzungen enthalten." (1) Im Verlauf der Darstellung behält Unruh diese Unterscheidung in Struktur und Materie für jede Etappe der Genese des Verfassungsbegriffs bei. Dies ermöglicht dem Leser, auf einfache Weise der Argumentation des Autors zu folgen und eigene Vergleiche anzustellen. Der Einstieg in die Ausführungen gelingt mit einigen Vorbemerkungen zum Verfassungsbegriff des älteren Deutschen Reiches (Goldene Bulle 1356, Wormser Reichsreform 1495, Augsburger Reichsabschied 1555, Westfälischer Frieden 1648 und die Wahlkapitulation des Kaisers). Das Gewicht liegt jedoch auf der Genese des Verfassungsbegriffs in der Amerikanischen und Französischen Revolution. Im dritten Teil wird der Prozess der Adaption des Verfassungsbegriffs in Deutschland nachgezeichnet (Reichsverfassung der Paulskirche 1849, WRV 1919), um dann im vierten Abschnitt die Kumulation der Entwicklung im Grundgesetz zu erörtern. Abgeschlossen wird die Arbeit durch die Analyse des verfassungstheoretischen und verfassungsdogmatischen Ertrags sowie durch einen verfassungspolitischen Ausblick.
Stefan Göhlert (SG)
M. A., Politikwissenschaftler, Protokollchef und Bürgerbeauftragter in der Verwaltung der Stadt Jena.
Rubrizierung: 2.32 | 2.31 | 5.41
Empfohlene Zitierweise: Stefan Göhlert, Rezension zu: Peter Unruh: Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes. Tübingen: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/16881-der-verfassungsbegriff-des-grundgesetzes_19393, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 19393
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M. A., Politikwissenschaftler, Protokollchef und Bürgerbeauftragter in der Verwaltung der Stadt Jena.
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