/ 04.06.2013
Charles Handy
Die anständige Gesellschaft. Die Suche nach Sinn jenseits des Profitdenkens. Aus dem Englischen übertragen von Yvonne Badal
München: C. Bertelsmann 1998; 287 S.; geb., 39,80 DM; ISBN 3-570-00192-X"Solange die von uns entworfenen Systeme auf dem Prinzip basieren, daß den Menschen nicht zu trauen ist, werden sich die Menschen auch nicht besonders darum scheren, vertrauenswürdig zu sein. Wer aber glaubt, daß Menschen im Prinzip tüchtig und zuverlässig sind, wird nur selten in seinen Erwartungen enttäuscht werden" (20). Diese Prämisse faßt präzise den Ausgangspunkt der Handyschen Analyse einer "anständigen" Gesellschaft. Sowohl die Institutionen des Kapitalismus (Unternehmen, Märkte), der Gesellschaft (Schule, Familie) und der Politik (Staat, Demokratie) müßten lernen, den Menschen in seiner Ganzheit zu betrachten, sein Verantwortungsbewußtsein zu stärken und außer seiner Intelligenz auch seine soziale Kompetenz zu fördern. Im ersten Kapitel argumentiert Handy, daß der Kapitalismus nicht der Lebenszweck des Menschen und der Mensch nicht in den Dienst des Kapitalismus zu stellen sei. Dies führt zum zweiten Kapitel, denn der Schlüssel hierzu sei der Mensch. Diesem müsse ermöglicht werden, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und den Sinn seines Lebens zu erkennen. "Maßvoller Egoismus" und die "Pflicht gegenüber anderen" bilden den Grundstock einer "anständigen" Gesellschaft. Deren Konturen werden im dritten Kapitel skizziert. Die dort ekklektisch zusammengetragenen Beispiele beziehen sich auf ein anderes Unternehmensverständnis, das Unternehmen stärker im Dienste seiner Arbeitnehmer sieht, auf ein anderes Erziehungsverständnis, wonach Verantwortungsbewußtsein, Wege des Wissenserwerbs statt Wissensvermittlung und Zusammenarbeit gelehrt werden, und auf ein bürgernäheres Politikverständnis, in dem verstärkt subsidiäre und direktdemokratische Formen der Politik zum Tragen kommen. Eine anständige Gesellschaft, die durchaus auf Kapitalismus und Demokratie aufbauen könne, würde dem Menschen Freiheiten und Wahlmöglichkeiten bieten, nicht um ihn anzuleiten, seinen Wohlstand zu maximieren, sondern "um andere Menschen zu befreien, auf daß auch sie Sein und Haben genießen können" (19). Die britische Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel "The Hungry Spirit. Beyond Capitalism. The Quest for the Purpose in the Modern World". Auch wenn so manche der Beispiele und Reformvorschläge etwas "luftig" erscheinen, stiftet das Buch zum Weiterdenken an.
Martina Böhner (Bö)
Dr.
Rubrizierung: 5.42 | 2.2
Empfohlene Zitierweise: Martina Böhner, Rezension zu: Charles Handy: Die anständige Gesellschaft. München: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/5407-die-anstaendige-gesellschaft_7085, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 7085
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