/ 29.09.2016

Jürgen Dinkel
Die Bewegung Bündnisfreier Staaten. Genese, Organisation und Politik (1927-1992)
Berlin u. a.: Walter de Gruyter 2015 (Studien zur Internationalen Geschichte 37); X, 364 S.; 54,95 €; ISBN 978-3-11-040409-8Geschichtswiss. Diss. Gießen; Begutachtung: D. v. Laak, E. Conze. – Die Bewegung der Bündnisfreien Staaten gilt heute als einer der Anachronismen der Internationalen Beziehungen. Die für die Gründung und für die Arbeitsweise dieser Internationalen Organisation (IO) zentralen Beweggründe sind durch das Ende des Ost‑West‑Konfliktes und durch die Dismembration der Sowjetunion obsolet geworden. Genau an dieser Stelle knüpft Jürgen Dinkel mit seinen Überlegungen an, wenn er die Genese dieser IO in den Blick nimmt und als Teil der Globalisierungsgeschichte greift, die er bis zurück in die Zwischenkriegszeit nachzeichnet. Die von Dinkel kontextualisierte Konferenz von Brüssel hatte sich in der Tat gegen die Folgen von Imperialismus und Kolonialismus gestellt und damit in der Folge über den Zweiten Weltkrieg hinaus Wirkung entfaltet. Die Konferenzen von Brüssel, Bandung und Belgrad müssen von daher auch als Reaktion auf den Diffusionismus früherer Tage bzw. als Auseinandersetzung mit den großen Ideologien jener Zeit gesehen werden. Die hieraus abgeleitete Notwendigkeit der Bündnisfreiheit blieb allerdings ebenso wie das Recht auf Selbstbestimmung letztlich verhandelbar. Das Augenmerk von Dinkel richtet sich somit auf die Genese einer Bewegung, die er auf fundierter Basis ausbreiten und als eine der maßgeblichen Triebfedern der Globalisierung dechiffrieren kann. Interessanterweise wollten die Bündnisfreien nie mehr sein als ein loser Staatenverbund, der seinen Höhepunkt in den 1970er‑Jahren hatte und eng mit den Institutionen GATT, UNCTAD und G77 verbunden bleibt. Hier wurden so zentrale Fragen wie die Haltung zu Israel/Palästina oder zu Jugoslawiens Drittem Weg diskutiert, hier finden sich die zentralen Akteure des Nord‑Süd‑Konfliktes mit ihren Protesten, Revolutionen und Manifesten. Davon ist nach 1992 nur noch wenig zu spüren. Man meint bei Dinkel fast so etwas wie Wehmut zu spüren, zumal seine Studie hier abbricht und die Folgejahre nicht mehr in den Blick nimmt. So bleibt eigentlich nur die Frage offen, warum diese IO noch existiert.
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Rubrizierung: 4.1 | 4.2 Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Jürgen Dinkel: Die Bewegung Bündnisfreier Staaten. Berlin u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/40091-die-bewegung-buendnisfreier-staaten_48174, veröffentlicht am 29.09.2016. Buch-Nr.: 48174 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA