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/ 15.08.2013
Roger Engelmann (Bearb.)

Die DDR im Blick der Stasi 1953. Die geheimen Berichte an die SED-Führung

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013; 320 S.; geb., 29,99 €; ISBN 978-3-525-37500-6
Nie wieder wollte sich das SED‑Regime von protestierenden Bürgern überraschen lassen – deshalb begann das Ministerium für Staatssicherheit am 17. Juni 1953 damit, regelmäßig Berichte über die Lage im Land abzufassen. Bestimmt waren sie zunächst vor allem für Walter Ulbricht, das Politbüro und Vertreter der sowjetischen Besatzungsmacht. Mit der Publikation dieser Dokumente des Jahres 1953 wird die in nicht chronologischer Folge erscheinende Reihe „Die geheimen Berichte an die SED‑Führung“ fortgesetzt; die vollständige Zusammenstellung findet sich auf der beigefügten CD, ein Jahr nach dem Erscheinen wird der Jahrgang unter www.ddr‑im‑blick.de online zur Verfügung gestellt. Der erste Bericht überhaupt besteht aus einer nüchtern gehaltenen Aufzählung von Streiks und Demonstrationen, die sich über das Gebiet der DDR ausbreiteten – nur aus dem Bezirk Rostock wurden „keine Unruhen gemeldet“ (95). Es folgen weitere, die zunächst überraschenderweise ideologisch einigermaßen zurückhaltend formuliert sind. Sie wirken geradezu „dilettantisch, ihr sprachliches und analytisches Niveau ist niedrig“, erläutert Roger Engelmann einleitend. „Die Kehrseite dieser Schwäche erweist sich jedoch als ihre Stärke. Die Meldungen bestehen häufig aus notdürftig zusammengesetztem Rohmaterial, das weithin noch die Authentizität der zugrunde liegenden Primärquellen aufweist.“ (12) Engelmann problematisiert allerdings auch die zunehmende Versuchung der Geheimdienstler, nur das zu präsentieren, was auch gelesen werden wollte – Ulbricht schmähte die Berichte ihrer unliebsamen Informationen wegen später als „‚Schädigung der Partei‘“ (9), wie Daniela Münkel im Vorwort schreibt. Außerhalb des ideologischen Käfigs der SED ist dieser Vorwurf kaum nachzuvollziehen, traten doch die tatsächlichen Ursachen der Proteste rasch in den Hintergrund. Die MfS‑Berichterstatter orientierten sich nun zusehends an den politischen Vorgaben und der Sprache des Regimes, zitiert werden immer wieder einzelne Menschen, die der SED ihr Vertrauen aussprechen und den Westen als von bösen Agenten beherrscht charakterisieren. Dieser Einseitigkeit wirkt Engelmann in seiner ausführlichen Einleitung entgegen, indem er den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Kontext der Dokumente erläutert. Der Band stellt insgesamt sicher eine wichtige Quelle der zeitgeschichtlichen Forschung dar und kann ebenso als Ergänzung der Literatur zum 17. Juni 1953 gelesen werden.
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Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Roger Engelmann (Bearb.): Die DDR im Blick der Stasi 1953. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36073-die-ddr-im-blick-der-stasi-1953_43607, veröffentlicht am 15.08.2013. Buch-Nr.: 43607 Rezension drucken
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