/ 22.06.2013
Wolfgang Wagner
Die demokratische Kontrolle internationalisierter Sicherheitspolitik. Demokratiedefizite bei Militäreinsätzen und in der europäischen Politik innerer Sicherheit
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2011 (Weltpolitik im 21. Jahrhundert 15); 208 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8329-6023-0Wagner untersucht die Kontrolldefizite internationalisierter Sicherheitspolitik aus der Friedens- und Konfliktforschungsperspektive. Damit will er den Frieden als Kenngröße etablieren, gegen die zeitgenössische Sicherheitspolitik gemessen werden kann. Die Demokratien trieben die sicherheitspolitische Internationalisierung selbst voran und gefährdeten dadurch ihre Friedensfähigkeit, so seine These, weil sie sich durch einen Mangel an demokratischer Kontrolle von ihren eigenen Idealen entfernten. Dass die Sicherheitspolitik in der Europäischen Union intergouvernemental organisiert ist, werde irrtümlich als hinreichend für fortdauernde Kontrollfähigkeit betrachtet. Die Regierungen, die die Sicherheitspolitik internationalisierten, um durch die Globalisierung erlittene Verluste staatlicher Steuerungsfähigkeit auszugleichen, gewährleisteten jedoch keinen ausreichenden Ersatz der national häufig differenzierten und ins politische System fest eingewobenen demokratischen Kontrollen. An den Beispielen militärischer Einsätze (als klassische Sicherheitspolitik), aber auch der mehr und mehr der Sicherheitspolitik zuwachsenden inneren Politik zeigt Wagner, dass deren parlamentarische Kontrolle eingeschränkt und auch der Grundrechtsschutz geschwächt wurde. Im institutionellen Geflecht des Mehrebenensystems, wie es die Europäische Union, aber auch die NATO darstellen, begünstigen Entscheidungsfindung, Informationsverbreitung und -verarbeitung diese Schwächung. Die Dynamiken integrierter Streitkräfte steigern die politischen Kosten beispielsweise von Caveats bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Im Ergebnis heißt das für die westlichen Demokratien, dass just ihre Kooperationsneigung, die auch einer Ideologie der Effizienzsteigerung folgt, die demokratischen Kontrollverfahren beschränkt. Zunehmende Integration führe so zu einem – etwa vom Europäischen Parlament formulierten – Bedarf an re-demokratisierenden Korrekturen. Wagner versteht seine Untersuchung als Frühwarnung gegen Entdemokratisierung und als Aufforderung, „interdemokratische Institutionen als zusätzliche Ebene in den entsprechenden Entscheidungsprozessen ernst [zu] nehmen“ (186). Zwischen Demokratien, so sein Fazit, stabilisieren sich Kontrolle und Kooperation nicht automatisch, sondern generieren Spannungen, die ausgehalten und politisch bearbeitet werden müssen.
Florian Peter Kühn (KÜ)
Dr., M. P. S., wiss. Mitarbeiter, Institut für Internationale Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
Rubrizierung: 4.41 | 4.3 | 4.2 | 3.6
Empfohlene Zitierweise: Florian Peter Kühn, Rezension zu: Wolfgang Wagner: Die demokratische Kontrolle internationalisierter Sicherheitspolitik. Baden-Baden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33516-die-demokratische-kontrolle-internationalisierter-sicherheitspolitik_40105, veröffentlicht am 20.04.2011.
Buch-Nr.: 40105
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Dr., M. P. S., wiss. Mitarbeiter, Institut für Internationale Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.
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