/ 11.06.2013
Gebhard Kirchgässner / Lars P. Feld / Marcel R. Savioz
Die direkte Demokratie. Modern, erfolgreich, entwicklungs- und exportfähig
Basel/Genf/München: Helbing & Lichtenhahn 1999; XIV, 238 S.; brosch., 47,- DM; ISBN 3-7190-1837-7In Deutschland wird seit kurzer Zeit wieder intensiver über die Möglichkeiten einer Stärkung direktdemokratischer Elemente in der Verfassung diskutiert. In der Schweiz hingegen - dem Mutterland der direkten Demokratie – wird von vielen Seiten deren Rückdrängung gefordert. In dieser Monographie zeigen die drei Ökonomen, warum die direkte Demokratie keineswegs als Auslaufmodell erachtet werden sollte, sondern mit guten Gründen auch nach Deutschland exportiert werden kann. Dabei widersprechen die Autoren detailliert den Kritikpunkten, die direkte Demokratie sei zu langsam und aufgrund unzureichend informierter Wähler zu anfällig, durch zahlungskräftige Interessengruppen instrumentalisiert zu werden.
Darüber hinaus argumentieren sie, dass in der direkten Demokratie sowohl die Nachfrage nach als auch das Angebot an Informationen größer sind als in der indirekten Demokratie. Daher ist der durchschnittliche schweizerische Wahlbürger besser informiert als der durchschnittliche deutsche Wähler und gegebenenfalls sogar als der durchschnittliche deutsche Abgeordnete. Leider bleibt diese interessante Hypothese in ihrem Buch ohne Prüfung. Letztlich machen die Autoren aber deutlich, dass die Frage nach der Vorteilhaftigkeit respektive Unterlegenheit der direkten gegenüber der repräsentativen Demokratie nicht theoretisch, sondern nur empirisch beantwortet werden kann.
So bilden ihre empirischen, synoptischen Kapitel über die Erfahrungen in der Schweiz, den USA und der Weimarer Republik den Kern des Buches. Ökonometrische Untersuchungen für die Schweiz zeigen eindeutige Ergebnisse: Die Stärkung der direkten Demokratie führt dazu, dass die Staatsausgaben stärker die Präferenzen der Bürger widerspiegeln, die Steuerakzeptanz zunimmt und damit der Umfang der Steuerhinterziehung zurückgeht, die Staatsverschuldung geringer ausfällt und schließlich die Wirtschaftskraft ansteigt.
Diese Ergebnisse lassen die Autoren indes keineswegs gegenüber möglichen Schwächen des Konzepts der direkten Demokratie blind werden. Vielmehr verdeutlichen sie anhand des weit weniger eindeutigen Befundes für die USA, dass die konkrete Ausgestaltung der direkten Demokratie entscheidend ist, und sie weisen auf zahlreiche Ansatzpunkte für Reformen sowohl im schweizerischen als auch im US-amerikanischen System hin.
Das Buch richtet sich an einen breiten Leserkreis sowohl in den Sozialwissenschaften als auch in der politischen Praxis. Wirtschaftswissenschaftliche Konzepte werden ausführlich erläutert, ohne sich in Fachtermini zu verlieren, und die statistisch-ökonometrisch gewonnenen Aussagen sind leicht nachvollziehbar. So liegt der Schwerpunkt des Buches folgerichtig auch weniger auf der Präsentation bisher unveröffentlichter Forschungsergebnisse als vielmehr auf der systematischen Darstellung bereits publizierter Ergebnisse. Die Autoren kennzeichnen das Buch selber als "Zwischenbericht" (X).
Da die aktuelle politische Stimmung in Deutschland die Stärkung der direkten Demokratie mittelfristig wahrscheinlich erscheinen lässt, und weil die wissenschaftliche Diskussion keineswegs als abgeschlossen bezeichnet werden kann, lässt sich hoffen, dass das Autorentrio weitere "Zwischenberichte" folgen lässt.
Inhaltsübersicht: 1. Direkte Demokratie: Chance oder Hemmschuh; 2. Vorwürfe und Reformvorschläge; 3. Informationsvermittlung und Engagement der Bürger in der repräsentativen und der direkten Demokratie; 4. Die Effizenz der direkten Demokratie (I): Die Erfahrung der Schweiz; 5. Die Effizienz der direkten Demokratie (II): Die Erfahrung der Vereinigten Staaten; 6. Die Erfahrungen der Weimarer Republik; 7. Das Problem mangelnder politischer Führung; 8. Zur Reform der direkten Demokratie.
Tobias Just (TJ)
Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.21 | 2.5 | 2.64 | 2.311
Empfohlene Zitierweise: Tobias Just, Rezension zu: Gebhard Kirchgässner / Lars P. Feld / Marcel R. Savioz: Die direkte Demokratie. Basel/Genf/München: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/11287-die-direkte-demokratie_13371, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 13371
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Politikwissenschaftler.
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