Skip to main content
/ 15.08.2013
Malte Herwig

Die Flakhelfer. Wie aus Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden

Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 2013; 320 S.; geb., 22,99 €; ISBN 978-3-421-04556-0
Die Generation der Flakhelfer, die in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs in einen Krieg zog, der nicht nur militärisch, sondern vor allem moralisch bereits verloren war, stand vor dem Nichts. Als „gebrannte Kinder von schlechten Eltern“ (274), aufgewachsen im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie, musste ihnen die Kapitulation im Jahre 1945 wahrlich wie eine „Stunde Null“ vorgekommen sein. Es gab für sie kein Zurück zu dem, was vor 1933 war, während sich die Zukunft keineswegs greifbar vor ihnen ausbreitete, sondern sich vielmehr in den verschütteten Bunkern verkroch und angesichts der Ruinen der Städte der Trostlosigkeit das Feld überließ. Gleichwohl war es ebendiese Generation, die die zweite deutsche Demokratie zuallererst schuf und nachhaltig prägte. Zu den bekanntesten Vertretern gehören unter anderem Günter Grass, Walter Jens, Iring Fetscher, Hans‑Dietrich Genscher und Hermann Lübbe – ein Pantheon der bundesdeutschen Nachkriegskultur, wie Malte Herwig schreibt. Deren außerordentliche Leistung beim Wiederaufbau Deutschlands steht allerdings in einem auffälligen Kontrast zur Unfähigkeit, über die eigene Vergangenheit Rechenschaft abzulegen. Mehr noch: Einige, wie zum Beispiel Günter Grass, avancierten zur moralischen Instanz der Bundesrepublik, indem sie ihren Bannstrahl auf echte oder vermeintliche faschistoide Tendenzen richteten, sodann aber kleinlaut die eigene NS‑Vergangenheit einräumen mussten. Ein nicht unerheblicher Teil dieses Personenkreises will sich ferner gar nicht mehr an die eigene Mitgliedschaft in der NSDAP erinnern – Parteimitgliedschaft aus Zufall? Malte Herwig räumt mit dieser Legende zu Recht auf, ohne die Betroffenen für ihren jugendlichen Leichtsinn moralisch zu verurteilen. Dass aus Schlechtem Gutes erwachsen kann, zeigt die Generation der Flakhelfer überdeutlich, die sich ihrer Vergangenheit indes kaum gestellt hat – vielleicht auch, um die Zukunft der jungen Bundesrepublik nicht zu gefährden.
Patrick Stellbrink (PS)
M. A., Politikwissenschaftler, Promovend an der TU Chemnitz.
Rubrizierung: 2.352.312 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Malte Herwig: Die Flakhelfer. Stuttgart: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36061-die-flakhelfer_44167, veröffentlicht am 15.08.2013. Buch-Nr.: 44167 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA