Geschichtspolitik oder auch Erinnerungspolitik kann in besonderem Maße in Deutschland als wichtiges Politikfeld gelten. Sie dient, stellt der Herausgeber einleitend fest, der Herausbildung gemeinsamer Vorstellungen in einem politischen System, also einem guten Stück der nationalen Identität. Somit handelt es sich aber auch um einen Bereich, in dem Deutungen der Vergangenheit und der Gegenwart um Anerkennung im Gemeinwesen miteinander ringen. Insofern zeigt gleich der erste Beitrag die Fruchtbarkeit des Gegenstands auch für die Politikwissenschaft. Kailitz untersucht den Historikerstreit aus der Perspektive der vergleichenden Politikwissenschaft oder spezieller der vergleichenden politischen Kulturforschung, um die politische Deutungskultur der alten Bundesrepublik zu rekonstruieren. Dabei stellt er nicht nur heraus, dass es sich bei dem Streit um „die bislang umfangreichste Debatte über Grundwerte“ handelte und „dieser die Einstellungen der Bevölkerung zu den behandelten Fragen“ (29) verändert habe. Zur Rolle der Akteure hält Kailitz für die Seite der Intellektuellen fest, dass „politische Vordenker wie Jürgen Habermas die politischen Einstellungen von Politikern ihres Lagers direkt beeinflussen“ (31). Hans Christian Crueger erläutert, dass geschichtswissenschaftliche Großkontroversen in der Regel politisch seien. Dies sei bedingt durch die Methodik der Geistes- und Sozialwissenschaften selbst. So führt er aus: „Das hermeneutische oder gar emanzipatorische Erkenntnisinteresse von Geistes- und Sozialwissenschaften richtet sich eben auch auf das einzelne menschliche Individuum und seine Vergemeinschaftung, mit allen pragmatischen Implikationen“ (46).