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/ 20.03.2014
Boris Kagarlitzki

Die Revolte der Mittelklasse

Hamburg: LAIKA Verlag 2013 (LAIKAtheorie 30); 242 S.; 21,- €; ISBN 978-3-942281-42-3
In Anknüpfung an das nicht nur im Umfeld der Postdemokratie‑Debatte verbreitete Erstaunen über die überaus bemerkenswerten Beharrungskräfte des zeitgenössischen Neoliberalismus entwirft Boris Kagarlitzki seine kapitalismuskritische Gegenwartsdiagnose aus marxistischer Perspektive. Im Kern geht es ihm dabei um die Frage, welche gesellschaftlichen Kräfte zur Überwindung einer Gesellschaft beitragen könnten, deren neoliberale Ethik auf der Maxime beruht: „Kommt den Starken nicht in den Weg.“ (44) Um der nachgerade kultischen Verehrung von Veränderung, Innovation und Flexibilität begegnen zu können, so seine Einschätzung, werde sich die Mittelklasse – eine gut ausgebildete und trotz aller Krisen auch ökonomisch nach wie vor leistungsfähige Gruppe vornehmlich des globalen Nordens – ihrer Rolle bewusst werden müssen. Diese bestehe – in konzeptioneller Nähe zur Rolle der Partei bei Lenin – in der Funktion einer politischen Avantgarde, die insbesondere die sozial marginalisierten Massen in der Überwindung der herrschenden Ausbeutungsverhältnisse anleiten solle. Wie genau das geschehen soll und warum so und nicht etwa anders – bei Crouch immerhin hatte man sich noch über die Handlungsperspektiven der Zivilgesellschaft streiten können – bleibt weitgehend offen. Stattdessen finden sich zahlreiche Behauptungen, die irgendwie schräg anmuten – etwa die, dass die technischen Innovationen des vergangenen Jahrhunderts maßgeblich für die Hegemonie des Neoliberalismus verantwortlich gewesen seien. Das Internet als Ausbeuter? – Dieser Interpretation und all den anderen, teils sehr unvermittelten, diffusen Fragmenten von Kagarlitzkis Weltsicht zu folgen, verlangt dem Leser doch schon einiges an heuristischem Wohlwollen ab. Indes, es bleibt immerhin auch noch die ein oder andere Lebensweisheit hängen, etwa diese: „Anstrengungsloser Erfolg ist ungewiß.“ (46) Na dann.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.222.25.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Boris Kagarlitzki: Die Revolte der Mittelklasse Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36875-die-revolte-der-mittelklasse_44887, veröffentlicht am 20.03.2014. Buch-Nr.: 44887 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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