/ 17.06.2013

Franz Walter
Die SPD. Vom Proletariat zur Neuen Mitte
Berlin: Alexander Fest Verlag 2002; 283 S.; geb., 24,90 €; ISBN 3-8286-0173-1Seit Schröder 1998 Bundeskanzler wurde, hört man von der SPD als Partei nur noch vergleichsweise wenig. Was waren das doch für Zeiten, als die Partei sich in den Siebzigerjahren auf turbulenten Parteitagen in radikalreformerischen Programmdebatten austobte und insbesondere ihrem Kanzler Schmidt das Leben schwer machte. Die SPD hat sich nicht nur von einer Programmpartei zu einer nüchternen, ein wenig gesichtslosen Partei unter vielen entwickelt. Sie ist auch "in der Mitte der Gesellschaft angekommen" und die Sozialdemokraten "brauchen kein eigenes Milieu, keine Alternativwelt mehr, in die sie sich zurückziehen und einigeln müßten" (266). Der Göttinger Politikwissenschaftler Walter zeichnet in seinem sehr verständlich geschriebenen Buch den langen Weg der SPD nach, der sie von den Anfängen unter Ferdinand Lassalle über die bitteren Jahre der Verfolgung während der Nazi-Zeit und vieler enttäuschten Hoffnungen am Anfang der Bundesrepublik schließlich doch zur Regierungsverantwortung in Bonn bzw. Berlin führte. Das sozialdemokratische Milieu, das Walter immer wieder als bestimmenden Faktor der Partei während des größten Teils ihrer Geschichte herausstellt, war dabei zeitweise die große Stärke und dann wieder der große Schwachpunkt der Partei. Hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen nach Utopien, nach der Geborgenheit sozialistischer Liturgie und den Zwängen einer sehr viel komplizierteren Welt voller dramatischer Umbrüche, stand die SPD sich oft selbst im Weg. Die Unterdrückung im Kaiserreich und die gesellschaftliche Ächtung bis weit in die Weimarer Republik hinein prägten die Partei. Der in dieser Zeit gewonnene innere Zusammenhalt half ihr aber auch über die brutale Verfolgung unter den Nationalsozialisten hinweg. Ihre alten Traditionen erwiesen sich in der Anfangsphase der Bundesrepublik dann wieder als großes Hindernis auf dem Weg zur Regierungsverantwortung. Die Brüche und Kämpfe, bis endlich ein SPD-Kanzler in Bonn regierte, schildert Walter auf sehr informative Art und Weise. Er hat mit diesem Buch keine dröge Parteigeschichte verfasst. Es ist ihm vielmehr gelungen, die wechselhaft, teils turbulent, teils dramatisch verlaufende Geschichte der SPD darzustellen und dabei den Blick für die großen Linien und übergeordneten Zusammenhänge nicht zu verlieren. Parteihistorikern wird das vielleicht nicht genügen, aber wer sich über die Geschichte der SPD ein Bild machen will, wird an seinem Buch nicht vorbeikommen.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.331 | 2.31
Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Franz Walter: Die SPD. Berlin: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/16974-die-spd_19495, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 19495
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M. A., Politikwissenschaftler.
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