Skip to main content
/ 12.09.2013
Anna Kaminsky (Hrsg.)

Erinnerungsorte für die Opfer von Katyń

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2013; 335 S.; brosch., 22,- €; ISBN 978-3-86583-773-8
Das Massaker von Katyń im April 1940, bei dem mehr als 4.000 Menschen getötet wurden, steht sinnbildlich für die Ermordung von über 24.000 Angehörigen der polnischen Elite durch die stalinistisch geprägte Sowjetunion. Bei den Nürnberger Prozessen hatte die sowjetische Seite versucht, den Massenmord als ein deutsches Kriegsverbrechen verhandeln zu lassen. Erst 1990 wurde die Schuld offiziell zugegeben, aber eine juristische Aufarbeitung steht in Russland bis heute aus und noch immer ist die Identität von mehreren Tausend Opfern unbekannt. In einer Reihe zu Erinnerungsorten an die kommunistischen Diktaturen legt die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED‑Diktatur diesem Band vor, in dem fast 180 in 18 Ländern errichtete Denkmäler und Gedenkorte für die Verbrechen von Katyń, Charkow/Charkiw und Kalinin/Twer in Text und Bild vorgestellt werden. Einleitend stehen fünf Aufsätze, die die Ereignis‑ und Nachgeschichte auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes präsentieren. Teilweise handelt es sich dabei um Zweitveröffentlichungen von in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften erschienenen Beiträgen. Die Hamburger Historikerin Claudia Weber behandelt die Massentötungen als Teil einer Verflechtungsgeschichte der NS‑ und der Stalin‑Diktatur. Dass das NS‑Propagandaministerium unter Joseph Goebbels den Fall 1943 erstmals öffentlich gemacht hatte, habe „die Aufklärung des Verbrechens [verhindert] und dessen Kommunikationsgeschichte von 1943 bis zur Veröffentlichung des Tötungsbefehls“ (50) zu Beginn der 1990er‑Jahre geprägt. Der Berliner Historiker Florian Peters schildert den Umgang mit dem Massenmord in der Volkspolitik Polen. Dessen offizielle Vertuschung galt für viele Bürger als „Symptom des verlogenen Charakters und der ideologischen Fremdheit des aus der Sowjetunion importierten Regimes“ (63). Werner Benecke, Osteuropa‑Historiker an der Universität Frankfurt/Oder, verweist in diesem Kontext darauf, dass in Katyń auch zahlreiche sowjetische Opfer des Stalin‑Terrors begraben liegen. Der 1999 neu gestaltete Friedhof könnte so zu einem Ort gemeinsamen Gedenkens werden.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.612.232.624.1 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Anna Kaminsky (Hrsg.): Erinnerungsorte für die Opfer von Katyń Leipzig: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/36173-erinnerungsorte-fuer-die-opfer-von-katyń_44094, veröffentlicht am 12.09.2013. Buch-Nr.: 44094 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
CC-BY-NC-SA