/ 05.06.2013
Max Scheler
Ethik und Kapitalismus. Zum Problem des kapitalistischen Geistes. Hrsg. und eingeleitet von Klaus Lichtblau
Berlin: Philo Verlagsgesellschaft 1999 (Kulturwissenschaftliche Studien 4); 163 S.; kart., 32,- DM; ISBN 3-8257-0108-5Max Scheler (1874-1928), der spätestens mit seinem Werk "Die Wissensformen und die Gesellschaft" (1926) den Rang eines Klassikers der (Wissens-)Soziologie erreicht hat, setzte sich in seinen frühen Aufsätzen (1899-1920) - im Kontext der Debatten zwischen Weber, Sombart und Troeltsch - mit Fragen der Genese des modernen Kapitalismus auseinander. Das aus heutiger Sicht besonders Hervorstechende dieser Texte ist weniger deren spezifisch soziologische Differenz zu Webers Deutung des Protestantismus als vielmehr ihre durchgehend kapitalismuskritische Intention, die - in Anlehnung an die katholische Soziallehre - einen "dritten Weg" zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu formulieren suchte. Einerseits entnimmt Scheler der "Wertlehre" der (katholischen) Kirchenväter die Maßstäbe seiner Kritik der konstitutiven Merkmale des modernen Arbeitsbegriffs; für ihn primär zählen: eine "innerlich grenzenlose Produktion", die "Verselbständigung des Selbstverwertungsstrebens des Kapitals" sowie die Warenförmigkeit der Arbeit selbst (158). Andererseits ergibt sich für ihn die historische Begrenztheit des Kapitalismus aus dem Umstand, daß dieser in erster Linie keine technisch-ökonomische Struktur, sondern ein Kultursystem darstellt, dem ein an sein Ende gekommenes Ethos zugrundeliegt (113 ff.). Läßt man Schelers - heute nur noch befremdlich wirkenden - Rückgriff auf "bio-physische" Antriebe beiseite, so kann man in seiner Sicht des Kapitalismus als Kultur durchaus Anschlußstellen zur gegenwärtigen Diskussion über Globalisierung entdecken. Die Aufsätze - in der Reihenfolge ihrer chronologischen Entstehung angeordnet - folgen der jeweils letzten, noch zu Schelers Lebzeiten publizierten Textfassung. Lichtblau eröffnet den Sammelband mit einer sehr sachkundigen, auch unabhängig von den Aufsätzen mit Gewinn zu lesenden Interpretation des Werkkontextes.
Inhalt: Arbeit und Ethik (1899); Der Bourgeois (1913-1914); Der Bourgeois und die religiösen Mächte (1913-1914); Die Zukunft des Kapitalismus (1913-1914); Prophetischer oder marxistischer Sozialismus? (1919-1920); Arbeit und Weltanschauung (1920-1921).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.46 | 5.45 | 5.33
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Max Scheler: Ethik und Kapitalismus. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/7172-ethik-und-kapitalismus_9590, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 9590
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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