/ 22.06.2013

Ulrich Engel
Europa als Versprechen. Philosophisch-theologische Debattenbeiträge
Wien: Passagen Verlag 2010 (Passagen Philosophie); 125 S.; 13,90 €; ISBN 978-3-85165-962-7Der Autor sieht Europa in einer Krise. Dies lasse sich nicht nur anhand der Probleme im Kontext der Weltfinanzkrise erkennen, sondern auch anhand des Scheiterns des EU-Verfassungsprojekts 2007 und des mühsamen Wegs zum Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon 2009. Europa weise ein Demokratiedefizit auf und setze immer wieder ökonomische statt politische Schwerpunkte, kritisiert Engel. Europa, so formuliert er mit Jacques Derrida, auf den er immer wieder zu sprechen kommt, müsse als Versprechen verstanden werden. Eine Identitätskonzeption für den Kontinent könne „nur offen, gleichsam performativ gedacht werden“ (15). Der Autor benennt für eine Weiterentwicklung Europas drei Herausforderungen: die Ausformulierung der Finalität des europäischen Einigungsprozesses, die Generierung einer kulturell wie religiös plural angelegten europäischen Identität und die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit. Er fragt anschließend, was die Kirchen angesichts der Säkularisierungstendenzen hierzu beitragen können. Mit dem italienischen Philosophen Gianni Vattimo sieht Engel in der Postmoderne weitestgehend ein Ende der Metaphysik: „An die Stelle eines Denkens, das sich an ‚starken‘ Prinzipien orientierte […] sei das freie Spiel der Interpretationen getreten“ (90). Damit ein „zivilgesellschaftlich geläutertes, politisch-theologisch reflektiertes Christentum“ (92) Teil des europäischen Wertefundaments werden könne, müsse es von allen Symbolen von Herrschaft und Dominanz lassen und sich wieder seiner biblischen Ursprünge vergewissern. Denn in seinen Ausführungen über den Ort der Gewalt im Religiösen selbst macht Engel deutlich, dass diese Verbindung nur zu brechen sei durch eine Religion, die frei sei „von allem bestimmt Religiösen“ (21). Damit verweist der Autor auf die apophatische oder negative Theologie, aber auch den Mystizismus. Die Offenbarungsreligionen sollten sich auf ihre Tradition des „Nicht-Eindeutigen, vielleicht sogar des Pseudohäretischen“ (22) berufen, um dauerhaft Teil des Fundaments der EU sein zu können.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.61 | 2.23 | 3.1 | 5.42
Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Ulrich Engel: Europa als Versprechen. Wien: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/32734-europa-als-versprechen_39092, veröffentlicht am 11.01.2011.
Buch-Nr.: 39092
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Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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