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/ 20.06.2013
Yvanka B. Raynova

Feministische Philosophie in europäischem Kontext. Genderdebatten zwischen "Ost" und "West"

Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag 2010; 273 S.; 39,- €; ISBN 978-3-205-78498-2
Aus der Perspektive eines orthodoxen Philosophieverständnisses mündet die Artikulation von Feminismus und Philosophie in eine inkommensurable Aporie. Der Widerspruch besteht darin, dass die feministische Philosophie ihrem Selbstverständnis nach eine partiale, gegen patriarchale Herrschaftsverhältnisse gerichtete politische Praxis ist und sich gleichzeitig einer Disziplin zugerechnet wissen möchte, die sich als universell und impartial beschreibt. Die Lösung einer insbesondere von Judith Butler inspirierten feministischen Philosophie ist radikal. Gestützt auf poststrukturalistische Überlegungen dekonstruiert sie die scheinbare Impartialität des vorherrschenden (liberalen) gesellschaftsphilosophischen Diskurses, um sie auf ihre Machteffekte zu befragen und so die rigide Trennung zwischen Philosophie und politischer Ideologie zu suspendieren. Während die feministische Philosophie im nordatlantischen Raum verbreitet Fuß gefasst hat, ist dies in Osteuropa weit weniger der Fall. Damit geht die Tatsache einher, dass es in Osteuropa zwar zahlreiche Frauenorganisationen gibt, die sich mit konkreten Problemen beschäftigen, aber kaum Frauenbewegungen, die sich die Fundamentalkritik der feministischen Philosophie aktiv aneignen würden. Mit diesem Problemkomplex beschäftigt sich die bulgarische Philosophin Raynova. Nach ihrer Einschätzung sind die akademischen Diskurse in Osteuropa selbst 20 Jahre nach dem Ende des Marxismus-Leninismus, der den theoretischen Rahmen für die sozialistische Genderforschung absteckte, nach wie vor überwiegend geschlechtsblind. Raynova zielt u. a. darauf ab, die gegenseitige Relevanz der in Osteuropa etablierten Frauenforschung und des westlichen Feminismus zu unterstreichen und den Dialog zwischen den beiden Forschungstraditionen wiederzubeleben, um mittel- bis langfristig eine kultursensible feministische Philosophie zu institutionalisieren, die die Hegemonie des Patriarchats in Osteuropa wirksam herausfordert.
Marius Hildebrand (HIL)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.422.272.61 Empfohlene Zitierweise: Marius Hildebrand, Rezension zu: Yvanka B. Raynova: Feministische Philosophie in europäischem Kontext. Wien/Köln/Weimar: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/21730-feministische-philosophie-in-europaeischem-kontext_39427, veröffentlicht am 24.11.2011. Buch-Nr.: 39427 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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