/ 21.06.2013
Zygmunt Bauman
Flüchtige Zeiten. Leben in der Ungewissheit. Aus dem Englischen von Richard Barth
Hamburg: Hamburger Edition 2008; 167 S.; geb., 12,- €; ISBN 978-3-936096-92-7Baumann, emeritierter Soziologe und namhafter Theoretiker der Postmoderne, holt in diesem Band zu einem pessimistischen Rundumschlag über das Leben in der Gegenwart aus. Die Tragik der Freiheit und die Ungerechtigkeit der globalen Ordnung sind die Leit/index.php?option=com_content&view=article&id=41317 dieser Arbeit, die freilich nicht so sehr auf Analyse oder Argumentation setzt. Vielmehr malt Baumann ein zeitdiagnostisches Bild, das aus anekdotischen Beispielen, anklagenden Begriffsbildungen und suggestiven Metaphern zusammengesetzt ist. Baumann konstatiert einen Trend zur Verflüchtigung gesellschaftlicher Ordnungen, die den Individuen verlässliche Handlungsgrundlagen entziehen und ihnen die alleinige Verantwortung für ihre Lebensentwürfe aufbürden. Individualisierung und erodierende Solidaritäten, globale Ungerechtigkeit und zunehmende Exklusion machen die Erde aus Baumanns Sicht zu einem mehr als ungemütlichen Ort. Sein Porträt zeitgenössischer Biografien und Karrieren als völlig diskontinuierliche Aneinanderreihung von Projekten ohne Orientierungspunkte, in denen alle sozialen Regeln und Erfolgsstrategien ein allzu kurzes Verfallsdatum hätten, wirkt freilich mehr als überspitzt. Die Bedingungen beruflichen Erfolgs und persönlicher Anerkennung sind bei aller Individualisierung und Verflüchtigung vermutlich längst nicht so unberechenbar, wie der Autor unterstellt. Dass menschliches Leben stets den Umgang mit Unsicherheit bedeutet hat, stellt Baumann umstandslos klar. Jedoch sieht er hier Schwerpunktverschiebungen im Zuge der Globalisierung, beispielsweise hin zu einer obsessiven Beschäftigung mit der eigenen physischen Sicherheit und zur zunehmenden Stigmatisierung von globalen Verlieren wie Flüchtlingen und Arbeitsmigranten. Die einzige Utopie der Gegenwart, so schließt das Buch in einem metaphernreichen Kapitel, sei die „Flucht“ (152) bzw. „Jagd“ (156), die leider nicht mehr sei als eine Form von Selbstbetäubung ohne Sinn. Für Baumann kommt dieses wettbewerbsförmige Leben einer irdischen Hölle gleich.
Tine Hanrieder (CTH)
M. A., wiss. Assistentin, Geschwister-Scholl-Institut, LMU München.
Rubrizierung: 5.42 | 2.2
Empfohlene Zitierweise: Tine Hanrieder, Rezension zu: Zygmunt Bauman: Flüchtige Zeiten. Hamburg: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/29325-fluechtige-zeiten_34688, veröffentlicht am 05.08.2008.
Buch-Nr.: 34688
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M. A., wiss. Assistentin, Geschwister-Scholl-Institut, LMU München.
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