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/ 21.06.2013
Thomas Klein

"Frieden und Gerechtigkeit!" Die Politisierung der Unabhängigen Friedensbewegung in Ost-Berlin während der 80er Jahre

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2007 (Zeithistorische Studien 38); 548 S.; geb., 59,90 €; ISBN 978-3-412-02506-9
„Die SED hat zustande gebracht, was kapitalistischen Ideologen nie gelungen ist“, erklärte die Umweltbibliothek im September 1989, sie habe die Idee des Sozialismus bei der Bevölkerung der DDR völlig diskreditiert. „Im konkurrierenden feindlichen Nachbarstaat BRD wird Hörigkeit viel besser bezahlt und lässt das Repressionssystem beneidenswert große Freiheitsspielräume offen“ (470). Selbst nach Abzug der Ironie (?) verdeutlicht dieses Zitat, warum Klein die Geschichte der im Ost-Berlin der achtziger Jahre aktiven Oppositionellen völlig richtig nicht als Vorgeschichte des Wendeherbstes 1989 erzählt. Damit schmälert er nicht die Achtung vor den Menschen, die es wagten, sich der Diktatur – und sei es nur in einem kleinen Kreis – entgegenzustellen. Nicht zu verheimlichen ist allerdings das geringe Mobilisierungspotenzial der politisch alternativen Gruppen, die Klein für das Jahr 1984 mit höchstens 6.000 Menschen ansetzt – wenige, verglichen mit den 30.000 Menschen, die in jenem Jahr ausreisen durften. Die Debatte, ob diese zur Opposition hinzugezählt werden sollten, stellt Klein ohne verbindliches Fazit dar. Der dagebliebenen Opposition attestiert er allerdings plausibel, den „tatsächlichen Inhalt der ‚sozialen Frage‘ in der DDR“ (520) nicht erkannt zu haben – was ihr nach der Wende rasches Verschwinden in der politischen Bedeutungslosigkeit erklärt. Aufschlussreich ist die Darstellung der Fesseln, die sich das Regime selbst auferlegte: Im Zuge einer stetigen Verrechtlichung der Beziehungen zwischen Bevölkerung und Staat sowie zwischen Kirche und Staat entstanden „halblegale[.] Freiräume“ (490) und das Ministerium für Staatssicherheit versuchte, der Opposition über den Nachweis von Ordnungswidrigkeiten das Handwerk zu legen – um das Sammeln von Unterschriften auf öffentlicher Straße verbieten zu können, schaute man sich Regelungen aus der bundesdeutschen Straßenordnung ab. Aber während die Opposition als selbstständiges Phänomen innerhalb der DDR-Gesellschaft noch um ihre Legalität kämpfte, schreibt Klein, sei plötzlich die Revolution hereingebrochen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Thomas Klein: "Frieden und Gerechtigkeit!" Köln/Weimar/Wien: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/26283-frieden-und-gerechtigkeit_30611, veröffentlicht am 27.03.2008. Buch-Nr.: 30611 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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