/ 20.06.2013
Jens Schöne
Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft
Berlin: Ch. Links Verlag 2005; 332 S.; brosch., 24,90 €; ISBN 3-86153-360-XDiss. FU Berlin; Gutachter: A. Bauerkämper, R. Jessen. – Zweimal habe sich die SED im Verlauf der landwirtschaftlichen Kollektivierung am Rande eines fundamentalen Scheiterns befunden - 1953 und 1960/61, schreibt der Autor. In beiden Fällen sei versucht worden, die Krise mittels Repression zu lösen. Die erste Krise endete zumindest oberflächlich mit der Niederschlagung des Volksaufstandes am 17. Juni, die zweite mit dem Bau der Mauer. Die Ursachen der Krisen sieht der Autor in systemimmanenten Konflikten. Die landwirtschaftlichen Kollektivierungsschübe in den Fünfzigerjahren seien nicht primär den wirtschaftlichen Erfordernissen gefolgt, sondern an den ideologischen Vorgaben des Marxismus-Leninismus orientiert worden. Zwar hätte die SED verschiedene Optionen in der konkreten Ausgestaltung der Agrarpolitik gehabt, habe sich aber auf eine ideologisch eindeutige Position zurückgezogen, die dem Erfahrungshorizont der Führung entsprochen habe. Praktisch sei die Agrarpolitik „ein Amalgam aus ideologisch determinierten Grundsatzentscheidungen und sozioökonomischen Problemlagen“ (50) gewesen. Denn neben dem Versuch, die Ideologie in die Tat umzusetzen, galt es, die seit 1945 andauernde landwirtschaftliche Produktionskrise zu bewältigen. Diese sei aber im Gegenteil durch den „Versuch eines Krisenmanagements“ (297) verschärft worden, mit dem sich die SED durch strukturelle Veränderung der ihr mehrheitlich nicht gesonnenen Gesellschaft eine Machtbasis habe schaffen wollen - gemäß der Ideologie hätte sich anschließend der wirtschaftliche Erfolg von selbst einstellen müssen. Bei diesem Krisenmanagement habe es sich also um herrschaftsstabilisierende Konstruktionsversuche gehandelt, wiederholt mit den falschen Mitteln. Die überlieferte Agrarstruktur sei so zwar auf dem Gebiet der DDR bis zum Frühsommer 1960 zerschlagen, die gesellschaftliche Akzeptanz aber nicht erreicht worden - die zahlreichen nach Westen flüchtenden Bauern wurden erst von der Mauer zurückgehalten.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jens Schöne: Frühling auf dem Lande? Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/23526-fruehling-auf-dem-lande_27009, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 27009
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