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/ 05.06.2013
Ulrich Steinvorth

Gleiche Freiheit. Politische Philosophie und Verteilungsgerechtigkeit

Berlin: Akademie Verlag 1999; 292 S.; geb., 68,- DM; ISBN 3-05-003300-2
Der in Hamburg lehrende Philosoph verfolgt mit seiner Arbeit zwei Absichten zugleich: Einerseits geht es ihm um konzeptionelle Fragen politischer Philosophie, andererseits will er Kriterien von Verteilungsgerechtigkeit vor dem Horizont einer - primär an Kant und Locke ausgerichteten - Idee gleicher Freiheit diskutieren. Im ersten Teil entwickelt Steinvorth - immer mit Blick auf die durch Rawls eingeleitete Rehabilitierung der politischen Philosophie - methodologische Überlegungen, die die Gleichrangigkeit von normativer und deskriptiver Theorie sichern sollen (15 ff.). Als entscheidender Hebel dient ihm dabei die Übertragung des Falsifikationismus auf die politische Philosophie. Für das von Popper in seiner Wissenschaftstheorie aufgestellte Kriterium der Falsifizierbarkeit empirischer Theorien lasse sich nämlich eine Parallele finden, wenn man den Geltungsanspruch normativer Theorien auf die Akzeptabilität ihrer Aussagen beziehe (26 ff.). Das ist indes nicht prozeduralistisch gemeint, denn mit der Ausrichtung auf die öffentliche Debatte (bzw. auf die normativen Intuitionen von jedermann) sei - wie Steinvorth mehrfach gegen die Position von Habermas einwendet (17 ff., 77 ff.) - kein Verzicht auf den Wahrheitsanspruch normativer Theorie verbunden (33). Dieser falsifikationistische Ansatz (der der Methodologie von Rawls nur eine andere Form gebe [38]) legt die politische Philosophie auf eine universalistische Perspektive fest, die sie auf die in der moralphilosophischen Tradition herausgearbeitete Idee der gleichen Freiheit verpflichte. In den Teilen 2 und 3 setzt sich der Autor dann mit materialen Problemen der (Verteilungs-)Gerechtigkeit auseinander. Das geschieht zunächst durch eine Diskussion von vier auf Rawls' Modell der Fairneßgerechtigkeit bezogenen kritischen Einwänden (83 ff.). Im abschließenden Teil entwirft Steinvorth einerseits - in Abgrenzung vom Postulat der demokratischen Gleichheit - die Merkmale der liberalen Gleichheit, andererseits versucht er Fragen der Durchsetzbarkeit dieser Prinzipien zu erörtern. Für die politikwissenschaftliche Theorie dürften vor allem die Kapitel über die Konsequenzen hinsichtlich des Staatsbegriffs (199 ff.) sowie über den Geltungsbereich sozialer Rechte (216 ff.) auch dann von großem Reiz sein, wenn man den liberalen Argumentationsrahmen skeptischer beurteilen sollte als der Autor. Aus dem Inhalt: I. Was ist die politische Philosophie? 1. Die Wiedergeburt der politischen Philosophie; 2. Zur Begründbarkeit der politischen Philosophie; 3. Zur Begründung von Moral und Recht; 4. Schmitts Zwang: Freund und Feind; Schmitts Liberalismusverständnis. 5. Alternativen zur politischen Philosophie? II. Fünf Deutungen der gleichen Freiheit: 1. Rawls' Fairneßgerechtigkeit; 2. Nozicks natürliche Freiheit; 3. Steiners Gemeineigentum: Ein libertärer Sozialismus? 4. Dworkins marktbemessene Ressourcengleichheit; 5. Van Parijs' Grundeinkommen. III. Was dürfen Individuen vom Staat fordern? 1. Wie universal können Verteilungsprinzipien sein? Natürliche Freiheit, demokratische Gleichheit und liberale Gleichheit; Walzers komplexe Gleichheit. 2. Nationale und internationale Verteilungsgerechtigkeit: Gemeineigentum in der liberalen Tradition; Konsequenzen für das Staatsverständnis. 3. Die liberale Gleichheit: Der Grund der liberalen Gleichheit; Das Erziehungssystem; Das Versicherungssystem; Das Recht auf Arbeit; Krankheitsschutz; Mindesteinkommen; Demokratische Gleichheit. 4. Zur Durchsetzbarkeit der gleichen Freiheit: Zur Aktualität der gleichen Freiheit; Marx' Anpassungskonzeption; Webers stahlhartes Gehäuse; Kritik der Unentrinnbarkeitsthese; Heideggers Gestell; Wohin das Unverständnis für die Rolle der Ideen der Gerechtigkeit führt; Liberalismus und Perfektionismus; Worüber der Philosoph nur wenig sagen kann.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.425.41 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Ulrich Steinvorth: Gleiche Freiheit. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8657-gleiche-freiheit_11391, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11391 Rezension drucken
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