/ 11.06.2013
Carl Amery
Hitler als Vorläufer. Auschwitz - der Beginn des 21. Jahrhunderts?
Neuwied: Luchterhand 1998; 191 S.; 29,80 DM; ISBN 3-630-87998-5Der Autor versteht den Band als "Kampfschrift", deren Ziel nicht so sehr die "Warnung vor dem Neonazismus" sei als vielmehr die Rekonstruktion eines "großen Plans" (16), d. h. eines politischen Programms mit weltanschaulicher Grundlage, demzufolge man bei der Bewältigung der Probleme, die aus der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen, der rasch zunehmenden Erdbevölkerung und der ungleichen Verteilung der materiellen Güter resultierten, nicht von humanistischen Grundsätzen sich leiten lassen solle, sondern von der konsequent forcierten Durchsetzung des "(Natur-)Rechts des Stärkeren". Was der Autor in der Folge als "Hitlerformel" (171) bezeichnet, wird dabei von seiner konkreten (historischen) Erscheinung in der kurzen Phase des herrschenden und kriegführenden deutschen Nationalsozialismus unter Hitlers Führung abstrahiert und verallgemeinert zum anti-humanistischen Politikprogramm mit drei Hauptkriterien: "1. das Bekenntnis zur Geschichte als Naturgeschichte, 2. die Feststellung, daß es nicht für alle reicht, und 3. die Übernahme der Verantwortung dafür, wer wie an den knapper werdenden Ressourcen des Planeten und damit an der Zukunft der Menschheit beteiligt werden soll." (171) Letztlich verfolgt der Autor damit zwei Thesen: Zum einen versucht er argumentativ den Nachweis zu führen, Hitler habe, darin Zeitströmungen verstärkend und geläufige Thesen aufgreifend, "die Juden" als Hauptexponenten einer dezidiert humanistischen Denktradition und damit als Gegner einer naturgeschichtlich bzw. "sozialdarwinistisch" fundierten politischen Programmatik herausgestellt und in Konsequenz systematisch zu vernichten gesucht. Zum anderen hält er die anti-humanistische Konzeption einer Globalpolitik für eine über Hitler und den Nationalsozialismus hinausgehende Auffassung des Politischen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts beständig an Boden gewonnen habe und sich ansatzweise in einer Reihe von Konflikten bis in die Gegenwart wiederfinde bzw. darauf übertragen lasse. Die universalhistorische Perspektive und die hauptsächlich ideengeschichtliche Argumentation lassen jedoch die konkrete Analyse ausfallen, unter welchen Umständen eine umfassende Aggression zur systematischen Vernichtung eines vorher bestimmten Feindes führen kann bzw. muß.
Michael Hein (HN)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
Rubrizierung: 2.312 | 2.25
Empfohlene Zitierweise: Michael Hein, Rezension zu: Carl Amery: Hitler als Vorläufer. Neuwied: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/10980-hitler-als-vorlaeufer_12983, veröffentlicht am 25.06.2007.
Buch-Nr.: 12983
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Arbeitsstelle für graphische Literatur, Universität Hamburg, freier Lektor, Übersetzer, Publizist.
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